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The Doors – When Your’e Strange
Exzessive Schatten
Diejenigen, die in den 70er Jahren pop-sozialisiert wurden, werden sich erinnern: Jim Morrison, der Sänger
der amerikanischen Rockband The Doors, galt (vor Patti Smith) als Stellvertreter
Arthur Rimbauds auf Erden: ein Rock’n‘Roll-Poet von eigenen Gnaden, der das
Prinzip des „live fast, die young“ gewissermaßen in seiner literarisch wertvollen
Variante praktiziert hatte. Obwohl Jim Morrison bereits im Juli 1971 starb und
The Doors damit ihren Zenit überschritten hatten, gehörten der Besuch
seines Grabes in Paris, die Lektüre seiner Lyrik und der 1980er-Biografie
„No one gets out here alive“ sowie die nie verstummenden Gerüchte, Morrisons Tod sei lediglich inszeniert gewesen, zur Folklore der 70er Jahre.
Von Doors-Platten, wie der essentiellen Kollektion „Weird Scenes
Inside The Gold Mine“ mal ganz zu schweigen; die durfte in keiner ernst zu nehmenden
Sammlung fehlen.
Zwar relativierte sich der Ruf von den poetischen Qualitäten
des „Lizard Kings“ im Laufe der Jahre und auch der unangenehme Machismo
des Sex Symbols Morrison kam weitgehend aus der Mode, dennoch sorgte die Remasters-Box „Perception“ zum 40jährigen Jubiläum des Debütalbums
2007 noch einmal für Rauschen im Blätterwald, obwohl die beiden Alben,
die The Doors nach Morrisons Tod als Trio produzierten, fehlten.
Auch für Tom DiCillo sind
The Doors ohne Jim Morrison nicht zu denken; auch er beschreibt lediglich die
Jahre zwischen 1965 und 1971. Während Oliver Stone mit seinem Spielfilm
„The Doors“ dem Mythos der Band und ihres Sängers sozusagen auf Augenhöhe
begegnete, verlässt sich DiCillo ausschließlich
auf dokumentarisches Material und ein Filmexperiment, das offenbar von Morrison
selbst stammt („HWY – An American Pastoral“, 1969) und in der linear erzählten
Bandgeschichte für einen narrativen Rahmen und ein paar Kontrapunkte sorgt:
Als Morrison in „Two-Lane Blacktop“-Manier
mit dem Auto die Highways entlang braust, hört er aus dem Radio die Nachricht
von seinem eigenen Tod. Das ist ganz originell, aber ansonsten erfährt
der kundige Doors-Hörer und Morrison-Philologe nichts, was er nicht ohnehin
schon wüsste oder von Oliver Stone ansprechend bebildert bekommen hätte.
Etwas anders sieht die Sache jedoch für die Nachgeborenen
aus! Tatsächlich liefert die Dokumentation eine Bandbiografie aus der Binnenperspektive,
die die Bedeutung der Band mit historischem Archivmaterial verschränkt,
was der Musik der Band und der Person ihres Leadsängers eine gewisse Repräsentativität
für den gegenkulturellen Aufbruch in den 60er Jahren verleiht. Man erfährt
etwas über die ungewöhnliche, live basslose (im
Studio nicht!) Besetzung der Band mit ihren Jazz-Einflüssen, man erfährt
auch von Morrisons familiären Hintergrund und dass der als hochintelligent
gerühmte Mann schon als junger Bursche Nietzsche und Rimbaud gelesen habe.
Man erfährt auch etwas über das unglückliche Timing der Band,
die nach furiosem Start mit zwei klassischen Alben 1967 eigentlich sofort danach
in die Krise geriet, als an die Stelle der musikalischen Substanz das Spektakel
des Freaks Jim Morrison trat, dessen Live-Performances von wenigen lichten Momente
und vielen exzessiven, dem Drogenkonsum geschuldeten, Schatten geprägt
wurden. Wenn man die Bilder des stets benebelten Sängers über fast
90 Minuten über sich ergehen lässt, wird aus der Lichtgestalt unversehens
ein Ritter von der traurigen Gestalt.
Dem mit den hochexplosiven Zeitläuften der späten
60er Jahre nicht mehr vertrauten Zuschauern liefert ein von Johnny Depp eingesprochener,
aber von DiCillo verfasster Off-Kommentar den nötigen roten Faden
der Erzählung, der eben auch von der Zerrüttung eines utopischen Aufbruchs
exemplarisch kündet. Mit dem Altamont-Festival, den Morden
der Charles Manson-Family und den Rock’n‘Roll-Toten Brian Jones, Jimi Hendrix,
Janis Joplin und Jim Morrison mündete der Hippie-Aufbruch in orientierungslose
Katerstimmung. DiCillos Film bleibt aufgrund des gewählten Ansatzes notwendig
impressionistisch an der Oberfläche der Ereignisse, will gerade keine kulturhistorische
Tiefenbohrung und keine Analyse der nervensägend narzisstischen Persönlichkeit
Morrisons, die heutige Betrachter wohl eher mit Robbie Williams,
Amy Winehouse oder Pete Doherty in Verbindung bringen werden, als
mit Nietzsche, Freud und Rimbaud.
Was bleibt, ist das Erstaunen darüber, wie lange
die anderen Bandmitglieder Morrisons Eskapaden ertragen
haben – und ein gutes Dutzend ziemlicher guter Songs, die es (wieder) zu entdecken
gilt. „The End“, aber dies nur am Rande, zählt übrigens nicht dazu.
Im Gegensatz zu „The Cars Hiss By My Window“.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist (ähnlich) zuerst erschienen in der
Stuttgarter Zeitung
The Doors: When
You’re Strange
USA 2009 – Originaltitel: When You’re Strange – Regie: Tom DiCillo – Mitwirkende: John
Densmore, Robby Krieger, Ray Manzarek, Jim
Morrison – FSK: ab 12 – Fassung: O.m.d.U. – Länge: 86
min. – Start: 1.7.2010
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