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Django
Para-Duelle
Die Leute laufen ja mit den seltsamsten
Dingen durch die Welt. Eine Zeitlang sah man Männer mit Pfeifentäschchen
am Handgelenk, anderen begegnet man als ambulanten Wurst-Grill-und-Verkaufseinheiten,
wieder andere tragen Plakate mit sich rum, auf denen steht, dass sie auf der
Suche nach wahrhaften Demokraten sind. Schon Diogenes suchte, bewaffnet mit
einer Öllampe, bei hellem Tage „Menschen“, während später Peter
Schlehmil dieses Prädikats verlustig ging, weil er seinen Schatten verkauft
hatte. Einen Schatten ganz eigener Art wirft Django. Wohin er auch geht, er
zieht immer einen Sarg hinter sich her. Man weiß nicht so recht: Ist das
Holz so schwer, liegt tatsächlich jemand drin, auf jeden Fall ist die Kiste
extrem widerständig. Der Zuschauer hat den Eindruck, dass es sich bei dieser
Anhänglichkeit um mehr als bloßen Symbolismus handelt. Django ist
kein Handelsreisender in Sachen memento mori. Der Mann scheint absolut autark
und ausschließlich auf eigene Rechnung unterwegs zu sein. Eine einzige,
ganz persönliche Rechnung, die noch offen ist, der amerikanische Bürgerkrieg
ist vorbei. Eine Frauensache. Ein Major hat Djangos Frau auf dem Gewissen. Sie
war sein Ein und Alles. Das Leben hat jetzt keinen Sinn mehr. Alles, was noch
kommt, ist ein reines Nachhutgefecht, ein Anhängsel an das eigentliche
Leben, das schon tot ist. Das Prinzip Ablösung führt gleich die erste
Szene ein. Ein Haufen Mexikaner drangsaliert eine junge, schöne Frau. Ein
zweiter Haufen, Weiße, richtet die Richter. Ein dritter, Django, richtet
die Richter. Aber es geht nicht um die Frau. Eine kleine Versammlung von Stellvertretern,
die als erste fallen. Django ist ein echter Gourmet. Das ist nicht einfach in
diesem Grenzland voller Ödnis, Schlamm und Grausamkeit. Vielleicht ahnt
Django, dass ihm noch viel Zeit bleibt, wenn er seinen Job gemacht hat. Was
sollte er mit ihr anfangen. Die Schonung der Maus durch die Katze ist nur höhere
Grausamkeit. Also darf der Major gleich zweimal abziehen, obwohl er schon in
den Händen Djangos war. Mittlerweile wissen auch alle Beteiligten, was
den Sarg so schwer macht. Es ist ein Maschinengewehr, das Kämpfer in Unterzahl
entschädigt. Und Django hat tatsächlich Stil. Während er die
Bande des Majors mit dem erstaunlichen Gewehr dezimiert, tötet er dessen
Pferd mit einem gezielten Pistolenschuss, das seine Last im gröbsten Schlamm
freigibt. Natürlich grinst Django nicht, es regt sich überhaupt nichts
bei ihm. Frauen wissen seinen Schutz trotzdem zu schätzen und verlieben
sich in ihn. Doch Djangos Liebe gehört schon der Vergangenheit an. Mit
der mexikanischen Bande um einen lustigen General kommt etwas Revolutionsromantik
auf. Djangos Sympathie mit dem General ist rein taktischer Natur. Temperamentsausgleiche
könnten hier nicht stattfinden. Und so gewinnt, wer es schafft, den ersten
Zug zu machen. Djangos siegreiche Kaltblütigkeit muss es allerdings zulassen,
das die verliebte Frau mitkommt. Und mit ihr
kommt das Pech. Oder es ist einfach ein blöder Zufall. Das von Django gestohlene
Gold verschwindet im Morast. Die nachsetzenden Mexikaner finden das gar nicht
lustig. Django wird bestraft. Die Mexikaner verstümmeln seine Hände,
den wundesten Punkt des schnellsten Schützen der Gegend. In Django steckt
aber nicht nur ein unstillbares Rachegefühl, sondern auch eine Terminator-antizipierende
Fähigkeit, mit den jeweiligen Körperbeständen bis zum Äußersten
zu gehen. Der Showdown mit dem Major findet also tatsächlich statt, trotz
brutalster Behinderung, mit der Pistole. Der Schauplatz ist selbstredend ein
Friedhof, der, auf dem Djangos Frau begraben liegt. Die Szene, in der Django
seine Waffe justiert, ist unglaublich rührend. Man empfindet großes
Mitleid. Und verzweifelt an Djangos fremd verschuldeter Tollpatschigkeit. Wie
soll das gehen, mit diesen Handstümpfen! Aber es geht. Es geht sogar ganz
ausgezeichnet. Mal wieder fünf auf einen Streich, inklusive Major. Und
jetzt? Djangos neue Freundin liegt in Genesung. Ein Neuanfang? Oder ein postvitales
Geisterleben nur mit sich selbst? Große Fragen nach einem großen
Film.
Dieter
Wenk
Dieser Text ist zuerst erschienen am 15. Mai 2006 in: textem
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Django
Django
contra todos
Italien
/ Spanien 1966
Regie:
Sergio Corbucci
Regieassistent:
Ruggero Deodato
Produktionsfirma:
B.R.C. Produzione S.r.l. (Rom) & Tecisa (Madrid)
Produktion:
Manolo Bolognini & Sergio Corbucci
Drehbuch
: Bruno Corbucci, Sergio Corbucci, José Gutiérrez Maesso, Franco
Rossetti, Piero Vivarelli
Kamera:
Enzo Barboni
Musik:
Luis Enríquez Bacalov
Schnitt:
Nino Baragli & Sergio Montanari
Kostüme:
Marcella De Marchis & Carlo Simi
Darsteller
& Rollen: Franco Nero (Django), José Bódalo (General Hugo
Rodriguez), Loredana Nusciak (Maria), Ángel Álvarez (Nataniele),
Jimmy Douglas [= Gino Pernice] (Jonathan), Simón Arringa, Ivan Scratuglia
[= Giovanni Ivan Scratuglia], Erik Schippers, Rafael Albaicín (Rodriguez’
Gefolgsmann), José Canalejas, Eduardo Fajardo (Major Jackson), Silvana
Bacci (Striptease-Girl), Remo De Angelis, Guillermo Méndez, Luciano Rossi
(Miguel), Rafael Vaquero u.a.
Deutsche
Erstaufführung: 2. November 1966
Verleihfirma:
Constantin-Film
Altersfreigabe:
ab 18 Jahre
Bildformat:
1.66:1 (35mm / Panoramico / Eastmancolor)
Laufzeit:
88 Minuten (PAL)
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