zur startseite
zum archiv
zu den essays
Devil Inside
William Brent Bells Low-Budget-Exorzistenfilm "The Devil Inside" legt Wert darauf, dass er ohne den Segen des Vatikan entstanden ist.
"The vatican did not endorse this film, nor aid in its completion", heißt es am Anfang. Eigentlich nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Es geht um Isabella Rossi, eine junge Frau, deren Mutter einst, während eines an ihr vollzogenen Exorzismus, drei Menschen getötet haben soll. Sie landete dann nicht im Gefängnis, sondern in einer psychiatrischen Anstalt nahe Rom. Die Tochter, eine Amerikanerin, beschließt, einen Dokumentarfilm über ihre Mutter zu drehen. Als Rechtfertigung hält sie glückliche Kindheitsfotos in die Wackelkamera. Isabella reist also nach Italien. Die erste Einstellung dort zeigt sie gleich vor dem Kolosseum, es geht dann weiter in Richtung Petersdom und bald lernt sie zwei abtrünnige Priester kennen, die wenig von den offiziellen, viel zu strengen Teufelsaustreibungsrichtlinien halten und deswegen in ihrer Freizeit heimlich frisch drauflos exorzieren, dass es eine Art hat; Isabella hat nichts Besseres zu tun, als sich ihnen anzuschließen und so nimmt das hahnebüchene Drama seinen Lauf. Man könnte allerdings auf die Idee kommen, die ganze Teufelsaustreiberei basiere von Anfang an auf einem zirkulären Fehlschluss: "Sometimes it takes an exorcism for a demon to reveal itself".
Man kann sich außerdem schon darüber wundern, dass ausgerechnet der Teufelsaustreibungsfilm auch gut vierzig Jahre nach William Friedkins einsamem Meisterwerk "The Exorcist" nicht totzubekommen ist, ein Genre, dessen antimoderne Schlagrichtung und sexistische Rollenaufteilung so offensichtlich sind, dass man kaum noch darauf zu sprechen kommen möchte. Im amerikanischen Kino werden trotzdem auch weiterhin Jahr für Jahr aufs Neue fanatisierte alte – oder wie hier: junge – Männer auf junge Frauen losgelassen, die sich ein wenig daneben benommen haben. Und Jahr für Jahr aufs Neue wird der Skeptiker mithilfe der scheinbaren Evidenz des Kamerablicks und der neuesten – oder wie hier: der altbackensten – special effects eines Besseren belehrt.
Umso erstaunlicher ist dieser fortgesetzte Erfolg, weil der Horrorfilm seit einigen Jahren keinen besonders guten Stand hat in Hollywood. Nach einer kleinen Welle ultraharter Splatterfilme Mitte des letzten Jahrzehnts kam nicht mehr viel nach, die Hoffnung ruht derzeit hauptsächlich auf sogenannten "found footage"-Streifen, extrem billig – und oft zunächst außerhalb des Studiosystems – zusammengeschusterten Filmen, die so tun, als wären sie von den Protagonisten selbst gedreht worden. So wie "The Devil Inside" eben.
In "The Devil Inside" tauchen neben den "dokumentarischen" Bildern – die von einem denkbar unbegabten Kameramann eingefangen werden – soviel Realismus muss sein – noch Polizeivideos, Bilder aus Überwachungskameras, home movies mit gefälschter analoger Patina sowie ein Exorzistenvideo aus dem vatikanischen Untergrund auf. Dass in der modernen Welt alles irgendwie gefilmt wird, dass heutzutage jedes Ereignis quasi automatisch seine Bilder generiert: Diese nicht ganz von der Hand zu weisende Diagnose scheint sich in solchen Filmen zu artikulieren. Und die Schlussfolgerung des Horrorkinos scheint derzeit zu sein, dass eine objektive Perspektive, ein zumindest bis zu einem gewissen Grad unbeteiligter Blick, wie ihn die "unsichtbare Kamera" des klassischen Spielfilms simuliert, in solch einer Welt gar nicht mehr notwendig ist, dass man das Affektzentrum des Zielpublikums am einfachsten dann erreicht, wenn man die Subjektivierung, über die das Genre schon immer funktioniert hat, ins Bild selbst verlegt.
Auch und gerade home movies sind allerdings, das vergessen die Produzenten solcher Filme regelmäßig, mit Liebe gemacht. Die neuen, billigen Horrorreißer Hollywoods hingegen zeichnen sich, von wenigen Ausnahmen abgesehen – "Paranormal Activity", der erfolgreichste amerikanische "found footage"-Horrorfilm, ist auch der beste, "The Devil Inside" ist ein besonders schlechter -, durch mangelnde Sorgfalt und ein komplettes Desinteresse an den eigenen Figuren aus. Macht nichts, der Film scheint die Marktmechanismen des Alltagsbetriebs ohnehin ausgehebelt zu haben: "The Devil Inside", ein Film ohne Stars, hatte ein Produktionsbudget von einer Million Dollar und spielte mithilfe einer cleveren Werbekampagne alleine in den USA mehr als das Fünfzigfache ein. Der Vertrieb, die Paramount, darf darauf stolz sein: so stolz wie ein Trickbetrüger, der mit einem besonders dreisten Coup davongekommen ist.
Lukas Foerster
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Devil Inside
USA 2011 – Originaltitel: The Devil Inside – Regie: William Brent Bell – Darsteller:
Fernanda Andrade, Simon Quarterman, Evan Helmuth, Suzan Crowley, Ionut Grama,
Bonnie Morgan, Brian Johnson, Preston James Hillier – FSK: ab 16 – Länge:
87 min. – Start: 1.3.2012
zur startseite
zum archiv
zu den essays