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Death Race

Im Namen des Hasses

 

Ein in den letzten Jahren besonders beliebter Irrglaube unserer referenzgeilen Popkultur besagt, dass eine Unterscheidung zwischen »gutem« und »minderwertigem« Trash nur anhand subjektiver Geschmacksgrenzen festmachbar und daher ohnehin sinnlos wäre. Nichts könnte der Wahrheit ferner liegen! Es gibt ein reichlich simples Kriterium zur Unterscheidung zwischen uninteressantem Schund und erstklassigem Kult-Trash: Originalität. Oder, um es mit Quentin Tarantinos Definition von gutem Sleaze zu sagen: »Man kann einfach nicht glauben, was man da auf der Leinwand sieht – und dass es wirklich kranke Spinner gab, die sich das ausgedacht und gefilmt haben

 

Womit wir im Zentrum des Problems wären. Die von Roger Corman 1975 produzierte Vorlage Death Race 2000 war seinerzeit ein Teppichklopfer der allerersten Güte. Unter dem wunderschönen deutschen Verleihtitel Frankensteins Todesrennen trieb es ganze Generationen deutscher Jugendlicher in ihren dunklen VHS-Kellern in den blanken Irrsinn: Ein US-sowjetischer Fascho-Staat mit feierlichem »Euthanasietag«; wabbelnde, knallbunte Pappmaché-Autos, die mit absurden Pärchen und grotesken Waffen bestückt waren; ein Straßenrennen mit Zeitgutschriften für umgemähte Nonnen, Kinder und Omis. Keine Frage, dieser Film war zertifizierbarer Schund, aber man kriegte angesichts all der haarsträubenden Einfälle anderthalb Stunden lang den Mund nicht mehr zu. Wenn am Ende der Bösewicht verkündet, das Rennen »im Namen des Hasses« gewinnen zu wollen und der Gute den Präsidenten auf die Kühlerhaube nimmt, bleibt kein Auge trocken.

 

Der Kontrast zum Remake könnte größer nicht sein: Wieder befinden wir uns in einer nahen Zukunft, nur dass hier alle Farben irgendwie trüb sind und alle Menschen Gangsta-Rap hören müssen. Das Szenario ist jedenfalls kreuzlangweilig: finanzieller Kollaps – Massenarbeitslosigkeit – Pöbel will Brot und Spiele (der Film schreibt tatsächlich »Pöbel« auf die Leinwand). Anderson legt mit einer brutalen Actionsequenz einen fliegenden Start hin, aber nachdem man noch keine der Figuren kennt, ist es dem Zuschauer reichlich gleichgültig, wer dabei alles geröstet oder zerhäckselt wird. Dann beginnt die Geschichte, und man wünscht sich, es wäre beim Nichtkennen der Figuren geblieben: Ein muskulöser, schwitzender, ehrlicher Stahlarbeiter, der von seiner Frau und seinen Kollegen in den ersten fünf Minuten ungefähr viermal bestätigt bekommt, was für ein muskulöser, schwitzender, ehrlicher Stahlarbeiter er doch ist, wird zu Unrecht angeklagt und ins Gefängnis geworfen, wo er um seine Freiheit und sein Leben Autorennen fahren soll. So stellt sich schnell heraus, dass Anderson das erste Gebot für Filmremakes sträflich missachtet: Du sollst nicht den falschen Film remaken. Death Race ist nämlich gar kein Death Race-Remake, sondern eins von Running Man. Später verwurstet Anderson dann auch noch Teile von Die Verurteilten und The Fast and the Furious, nur zu Death Race konnte er sich einfach nicht durchringen.

 

Die Dialoge helfen auch nicht gerade, dieses Problem zu übertünchen. »Das ist die gefährlichste Person hier im Knast«, sagt ein Häftling zum nächsten, und sie scheinen selbst nicht zu wissen, warum sie sich ausgerechnet das plötzlich zu sagen haben. Aber leider muss in diesem Film alles erklärt werden, bloß nichts dem Zuschauer überlassen. Zum Beispiel dies: »Das ist ein ehrlicher Job für ehrliche Männer Oder: »Ich hau’ dir die Rübe ab Gottseidank kündigt er’s an, denkt man, sonst hätte man’s nie vermutet. Kopfschüttelnd wartet man auf den nächsten Plot Point, nur um festzustellen, dass leider auch die Dramaturgie nicht den Hauch eines Sinns ergibt: Der Held lässt sich mal wieder erpressen, obwohl die Gegenseite weder Interesse noch Zwang hat, die Abmachungen zu erfüllen; die böse Direktorin will in der zweiten von drei Etappen alle Fahrer umbringen, obwohl sie doch mit der Live-Übertragung Geld verdient und damit ihr eigenes Sendekonzept sabotiert; und natürlich kriegen die Gefängniswärter nur dann jedes kleinste Detail in zigfacher Video- und Abhörkontrolle mit, wenn man gerade nicht öffentliche Diskussionen über einen Ausbruch veranstaltet oder ein plumpes Geschenk mit Sprengladung an die Direktion schickt.

 

Minutenlang wird man also mit dieser Kleinkinder-Lego-Story gefoltert, die keine weitere Funktion hat, als eine Handvoll aufwändige Actionsequenzen miteinander zu verbinden. Man fragt sich den halben Film hindurch, woher man diese Vorgehensweise bloß kennt, und spätestens, wenn die ebenfalls unsinnig herbeierfundenen Beifahrer-Frauen halbbekleidet aus dem Gefängnisbus hüpfen und erstmal in Superzeitlupe ihr volles Haar ausschütteln, erinnert man sich wieder dran: Death Race ist im Grunde ein Billig-Porno. Genauso miese Dialoge, genauso schamlose Plotverweigerung, genauso ständig wiederkehrende Musikstücke und genauso große Vorfreude auf die Bums-Szenen, die hier eben aus Blut und Benzin bestehen statt aus Schweiß und Ejakulat.

 

Das Schlimmste an diesem Film ist aber nicht seine Sinnfreiheit oder auch nur seine Unoriginalität; es ist auch nicht der stetige geistige Abstieg Andersons, der eigentlich ein begabter Actionregisseur sein könnte, wenn er sich bloß professionelle Hilfe fürs Drehbuch suchen würde; es ist nicht mal die verschenkte und grauenhaft verschminkte Meistermimin Joan Allen, die sich hier mit sinnentleerten Sätzen herumschlagen muss wie: »Schwanzlutscher, wenn du mir ans Bein pisst, werden wir ja sehen, wer auf den Bürgersteig scheißt.« Nein, das Schlimmste ist die schamlose Verlogenheit eines Films, der die kommerzialisierte Schaulust einer dekadenten Gesellschaft anprangern will und doch selbst nichts anderes zu bieten hat als billige Entschuldigungen für Blut und Titten in verwackelter Superzeitlupe. Und das ist wirklich nur mit abgehauenem Kopf zu ertragen.

 

Daniel Bickermann

 

Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

Death Race

USA 2008. R,B: Paul W.S. Anderson. K: Scott Kevan. S: Niven Howie. M: Paul Haslinger. P: Cruise, Wagner Productions, Impact Pictures. D: Jason Statham, Joan Allen, Ian McShane, Tyrese Gibson, Natalie Martinez u.a.

105 Min. Universal ab 27.11.08

 

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