zur startseite

zum archiv

zu den essays

 

 

Dead Man Down

 

 

Rache, so lehrten es die Altvorderen, sei ein Gericht, das man am besten kalt serviert. Sieht man allerdings Colin Farrell bei seinem Rachefeldzug in „Dead Man Down“, so agiert der Mann hier derart perfektionistisch und geduldig, dass man wohl eher von einem mehrdimensional choreografierten Rache-Kunstwerk denn von einer affektiven Tat sprechen muss. Victor, der eigentlich Laszlo heißt, infiltriert nicht nur die Gangsterbande des Mobsters Alphonse, die das Ziel seiner Rache ist, sondern er nimmt als Undercover-Rächer auch an ihren Verbrechen teil und rettet seinem Boss gleich zu Beginn das Leben.

Erstaunlich kompliziert etabliert „Dead Man Down“, das US-Debüt des dänischen Regisseurs von Niels Arden Oplev („Verblendung“, fd 39 496), seinen komplizierten Plot, der zwei Rachegeschichten psychologisch komplex verbindet, um die Geschichte einer zarten Annäherung zweier verwundeter Seelen zu erzählen. Oder ist es umgekehrt? Anfangs geht es um die Gentrifizierung in New York, die auch die Familie eines aus Ungarn eingewanderten Ingenieurs trifft. Als Gangster bei der Entmietung von Wohnraum helfen, kommt Laszlos kleine Tochter ums Leben. Später sollen die Eltern als lästige Zeugen beseitigt werden, doch wie durch ein Wunder überlebt Laszlo den Anschlag der von Alphonse angeheuerten Killer. Da Laszlo in Ungarn eine militärische Grundausbildung erhalten hat, ist er Manns genug, um in der Unterwelt aufzuräumen.

Strategisch klug nutzt er dazu nicht nur die Taktik der Infiltration, sondern auch die Guerillataktik der gezielten Nadelstiche: Fotos mit kryptischen Botschaften oder Leichen im Keller eines schwer gesicherten Gangsteranwesens, um die Gegner, die nicht wissen, dass sie Gegner sind, zu terrorisieren. Erschwerend kommt hinzu, dass Laszlo von seiner Nachbarin, der Französin Beatrice, bei einem Mord beobachtet wurde. Auch Beatrice, die mit ihrer schwerhörigen Mutter zusammenlebt und von den Nachbarskindern als „Monster“ gequält wird, sinnt auf Rache: an jenem betrunkenen Autofahrer, dem sie ihr bei einem Unfall entstelltes Gesicht verdankt. Laszlo soll diesen Job erledigen. Weil aber sowohl Beatrice als auch Laszlo gewissermaßen ein vergleichbares Schicksal teilen, kommt es zu einer zarten Annäherung der verwandten Seelen.

Des Weiteren versucht der mit Victor/Laszlo befreundete Gangsterkollege Darcy – beide schlossen lange nach den blutigen Taten, um die es hier geht, der Bande an und müssen deshalb in gewisser Weise als „unschuldig“ gelten – versucht, Kapital aus der unheimlichen Bedrohung der Bande zu schlagen, indem er auf eigene Faust ermittelt – und dabei Laszlo gefährlich auf die Pelle rückt.

Allerdings kann sich die Inszenierung nicht so richtig entscheiden, was sie erzählen möchte. Das Lavieren zwischen Psycho-Studie, Seelenverwandtschaft und Rache- bzw. Gangstergeschichte ist ungefähr so umständlich wie Laszlo aufwändiger Racheplan, haarklein und detailgenau erzählt ins Ohr von Beatrices schwerhöriger Mutter. Was auch damit zusammenhängen mag, dass die Chemie zwischen Colin Farrell und Noomi Rapace nicht funktioniert. Vielleicht ist man auch Rapaces Darstellung als Schmerzensfrau des ambitionierten Genrefilms überdrüssig geworden; jedenfalls werden profilierte Darsteller wie Isabelle Huppert, Dominic Cooper, F. Murray Abraham und insbesondere Armand Assante hier schlicht verschenkt.

Niels Arden Oplev dürfte sein unkonzentriertes Mäandern zwischen Drehbuchschwächen und Logikbrüchen selbst auf die Nerven gegangen sein, da er zum Finale noch einmal die große Actionkeule mit Sprengstoff und Häuserkampf schwingt. Bedenkt man, mit wieviel Aufwand Laszlo zuvor an seiner Rache-Inszenierung gewerkelt hatte, ist der Showdown allerdings eine herbe Enttäuschung.

Ulrich Kriest

Dieser Text ist zuerst erschienen in der: filmDienst f/2013

 

 

Dead Man Down

USA 2013 – 110 Minuten – Kinostart: 04.04.2013 – FSK: ab 16 Jahren – Regie: Niels Arden Oplev – Drehbuch: J.H. Wyman – Produktion: Neal H. Moritz, J.H. Wyman – Kamera: Paul Cameron – Schnitt: Timothy A. Good, Frédéric Thoraval

Darsteller: Noomi Rapace, Colin Farrell, Dominic Cooper, Terrence Howard, Armand Assante, Isabelle Huppert, Raymond Mamrak, Raw Leiba, Franky G, Luis Da Silva Jr., James Biberi, Jennifer Butler, Kelly Southerland, Jennifer Mudge, Stu Bennett

 

 

zur startseite

zum archiv

zu den essays