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Dame, König, As, Spion

 

 

Dreifach verschlossene Türen

Der Kalte Krieg vergletschert seine Protagonisten. Stickig und grau ist die Geheimdienstwelt in "Dame, König, As, Spion" von Tomas Alfredson

Ein Film, den man zu Beginn eher hört als sieht: Dumpf dringt etwas Opernmusik aus der Konserve durch dick und dunkel lackiertes Holz. Ein Schatten schiebt sich davor, klopft, John Hurt, grau und ausgedörrt, wie nur John Hurt aussehen kann, kommt in einem hellen Türspalt zum Vorschein, die Musik wird plötzlich klar. "Ist man dir gefolgt? Nein, dann komm rein."

Der Agentenfilm war immer schon auch ein Film über Räume und deren Verhältnis zueinander: In der raumgreifenden Geste bei James Bond etwa schnurrt der Globus mit seinen entlegensten exotischen Plätzen zur schnell durchblätterbaren Postkartensammlung zusammen. "Dame, König, As, Spion" von Tomas Alfredson indes geht in eine andere Richtung: Keine zentrifugale Eskalation liegt hier dem Geschehen logisch zugrunde, sondern die Gravitas mehrfach verplombter Räume, die Entropie eines sich ins unendliche verzettelnden Wusts an Akten, die sich auf Schreibtischen und Regalen türmen. Selbst Szenen in Istanbul tasten den Drehort nicht glamourökonomisch ab, sondern bleiben fahl und grau, verraucht und diesig.

John Hurt, der schlicht als "Control" bezeichnete Chef des britischen Geheimdienstes, von den Mitarbeitern "der Zirkus" genannt, hält seine Sitzungen in einem von innen mit grell orange Schaumstoff schalldicht isolierten Kubus ab. Der steht seinerseits in einer zum Büro umfunktionierten Fabrikhalle, die ihrerseits wiederum von einem im Straßenbild unscheinbaren, alten Gebäude im britischen Klinkersteinstil ummantelt ist. Wenn ein Agent zu Beginn auf eine Mission nach Budapest geschickt wird, so findet das Geschehen hinter Feindeslinien in einem versteckten Passagencafé statt. Dort läuft der Agent in eine Falle, die eigentliche Handlung: Im britischen Geheimdienst sitzt ein Maulwurf mit Zugriff auf die höchste Geheimhaltungsebene, den es ausfindig zu machen gilt.

In diesem London von 1973 ist nichts mehr "swinging": George Smiley (Gary Oldman), nach der Budapester Affäre gemeinsam mit "Control" zwangsweise in den Ruhestand versetzt, gleicht als stoischer Agent, der von außen den "Zirkus" nach dem nun mutmaßlich aufgestiegenen Maulwurf durchleuchtet, eher noch Erich Honecker als dem Playboy-Klischee des Pulp-Roman-Spions. Welche Geheimnisse hinter seiner dicken Brille, den unbeweglichen Gesichtszügen und seinen knarzenden Lederhandschuhen schlummern – zumindest eine Passage lässt eine versteckte homosexuelle Identität erahnen -, bleibt unsicher: Der Kalte Krieg vergletschert seine Protagonisten, drängt sie in graubraune Existenzen, in stickig gedämpfte Wohnungen, die keinen Lebensraum, sondern ihrerseits nur weitere Ummantelungen eines abgetöteten Alltags darstellen.

John le Carrés gleichnamiger Roman aus den 70er Jahren beginnt mit lakonischer Ironie: "The truth is", als wäre Wahrheit, zumal im Agentenroman, immer schon eine Sache, nach der man nur zu greifen habe. Doch in Wahrheit liegt die Sache anders: George Smileys Ermittlungen führen tief ins Innere einer beschädigten Agentenseelenwelt. Dabei schlägt er viele Haken, sucht stets Bündnisse, oft genug ohne Vertrauensvorschuss. Im Einzelnen nachvollziehbar sind die Ermittlungsschritte nicht immer. Während versiegelte Innenräume auf versiegelte Innenräume folgen, der Film seine Textur hochauflösend zum Spektakel erhebt und Smiley samt Konsorten darunter zum Verschwinden gebracht werden, hört man die Wendungen des Plots selbst oft nur dumpf wattiert wie Opernmusik durch dickes Türenholz aus einer verwahrlosten Agentenwohnung.

Thomas Groh

Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz  

Dame, König, As, Spion
Großbritannien 2011 – Originaltitel: Tinker, Tailor, Soldier, Spy – Regie: Tomas Alfredson – Darsteller: Gary Oldman, Colin Firth, Tom Hardy, Mark Strong, John Hurt, Toby Jones – Prädikat: besonders wertvoll – FSK: ab 12 – Länge: 127 min. – Start: 2.2.2012

  

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