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Contact
High
„Contact High“ ist ein utopischer Begriff
aus der hohen Hippiezeit, der davon spricht, dass man ohne Drogen „high“ werden
kann, wenn man jemandem begegnet, der seinerseits psychedelische Drogen genommen
hat. Funktioniert natürlich nur bei Empathie und sensibler Aufmerksamkeit
fürs Gegenüber, besser noch beim expliziten Gleichklang der Seelen.
Deshalb auch die revolutionäre Botschaft der Rockband „Fugs“: „Turn on,
tune in, drop out!“ Der Filmemacher Michael Glawogger wurde hierzulande durch
spektakuläre (Semi-)Dokumentarfilme wie „Megacities“ (fd 33 726) und „Workingman’s
Death“ (37 581) bekannt,
hat aber auch eine Reihe nicht minder beeindruckender Spielfilme wie „Nacktschnecken“
(2002) oder „Slumming“ (fd 38 120) gedreht.
„Contact High“ ist nun gewissermaßen
das Sequel zum famosen „Nacktschnecken“, der es hierzulande nicht in den regulären
Verleih schaffte. „Nacktschnecken“ erzählte die groteske Geschichte einer
Gruppe von Ex-Studenten und Tagedieben aus Graz, die von einem Drogendealer
auf die Idee gebracht werden, es doch bitteschön einmal mit der Porno-Produktion
zu versuchen, wenn sie doch eh den lieben langen Tag an wenig Anderes als ans
„Pudern“ denken. Einigen der Protagonisten aus „Nacktschnecken“ begegnet man
jetzt wieder. Allein, man hat das Gewerbe gewechselt. Worum geht es also in
„Contact High“? Die Antwort auf diese Frage ist gar nicht so einfach. Die beiden
erfolglosen Imbissbuden-Besitzer Hans Wurst und Max Durst bekommen von ihrer
Chefin Mao den Auftrag, eine mysteriöse Tasche aus Polen zu holen. Mao
wiederum hatte diesen Auftrag vom Kleinkriminellen Schorschi erhalten, dem sie
einen Gefallen schuldet. Schorschi wiederum bekam den Auftrag von Harry, der
Kontakt zu Carlos hält, dem Boss of it all, der offenbar in Mexiko sitzt
und blinde Albino-Mulatten zu seinen Beratern zählt, die angeblich Schwertfische
regnen lassen können (wenn es denn gewünscht wird). Weil aber allgemein
bekannt ist, dass Wurst & Durst nur in raren Glücksmomenten einen Durchblick
haben, werden sie von den auch nicht gerade intelligenten Gangstern Schorschi
und Harry nach Polen verfolgt und dabei manchmal auch überholt. Als Max
schließlich Drogen nimmt, kommt es zum besagten Contact High mit relativ
vielen anderen Menschen, was den ohnehin schon ausgemacht schönen, schrägen
Film vollends aus der Bahn wirft.
Es folgt eine atemlose Reihe von Begegnungen
der dritten Art: Anthropomorphe Hunde tanzen in der Disco, auf Hendlfarmen kommt
es zu psychotischen Massakern, Albinos lächeln auf polnischen Traktoren
in sich hinein, mit Trash handelnde Pakistanis werden zu Reisegefährten
oder Geiseln, in die man sich vielleicht auch verliebt, Ledertaschen voller
Wurst gesellen sich hinzu, polnischen Polizisten wachsen Schweinerüssel,
bis man mit Fug und Recht von Polizisten als „Pigs“ sprechen darf, melodramatische
Liebesgeschichten werden vom Zaun gebrochen, Züge scheinen rückwärts
zu fahren, aber schließlich kann man sich ja auch umsetzen. Wurst und
Durst können kein Polnisch, aber vielleicht kommt man in Polen ja auch
mit Englisch durch, selbst, wenn einem nicht immer zur rechten Zeit die passenden
Worte einfallen und man multilingual, aber mit einem starken Wiener (?) Akzent
geradezu rappen muss, zumal, wenn man an der Hotelrezeption auf eine wortkarge
Phillipina trifft, die verstört fragt: „Are you the two funny men?“
Michael Ostrowski, Raimund Wallisch, Detlev
Buck, Georg Friedrich, Pia Hierzegger und all die anderen Darsteller spielen
so „verstrahlt“ und outragiert, wie es sich in einem Film gehört, der vom
Contact High nicht nur fabuliert, sondern diesen gewissermaßen in den
Kinosaal transportieren will. Einzigartig geschmeidige Dialoge grooven auf unterschiedlichstem
Niveau – zwischen Carlos Castaneda, Jerry Rubin und pubertären Cheech &
Chong-Witzchen – am Ohr vorbei und verschwinden auf Nimmerwiedersehen durch
den Notausgang des Kinos. Je weiter die Reise gen Osten geht, desto kruder und/oder
fantastischer gerät die Handlung. Aber es gilt auch umgekehrt: Der Film
hält zwar nicht allzu lange das brillante Niveau seines Anfangs, hat aber
immer wieder große Momente im Klamauk – wobei auch diese lässige
Unbekümmertheit über das Niveau, auf dem man sich amüsieren möchte,
Teil bzw. Reflex des Versuchsaufbaus sein könnte.
John Carpenter und sein Meisterwerk „Assault
– Anschlag bei Nacht“
(fd 21 142) bekommen früh ein kleines Denkmal gesetzt, vielleicht auch,
weil „Contact High“ so etwas wie ein ins Positive gewendetes Epidemie-B-Movie
geworden ist, das die Dylan-Formel, „Everybody must get stoned“, wortwörtlich
nimmt und die befreienden Drogen im Kino an den Mann und die Frau zu bringen
versucht. Die Special Effects-Abteilung und auch die Maske hatten jedenfalls
alle Hände voll zu tun, um den Trip-Fantasien visuell beizukommen. Jetzt
sieht „Contact High“, der auch animierte Elemente lässig in seinen filmischen
Diskurs zu integrieren weiß, so aus, als sei er direkt aus den späten
1960er- oder frühen 1970er-Jahren auf die Leinwand gespült worden:
eine heterogene Mischung aus „Yellow
Submarine“ (fd 33 861),
dem Beatles-Videoclip zu „Strawberry Fields Forever“, „Dark
Star“ (fd 21 122), „Kottan“
und „Alice im Wunderland“. Die geschmackssicher und kenntnisreich ausgewählte,
thematisch passende Musik stammt von Devendra Banhart, Captain Beefheart, Roxy
Music, The Sonics, Get Well Soon und Calexico. Für das Wort „Meisterwerk“
ist „Contact High“ vielleicht etwas zu nachlässig und entspannt, aber zum
„Kultfilm“ sollte es allemal reichen. Ganz zum Schluss bekommt man dann noch
die polnische Polizei-Version dessen präsentiert, warum es einst „Don’t
Bogart that joint, my friend!“ hieß, aber so richtig plausibel erscheint
sie nicht. War Bogart tatsächlich so asozial, beim Kiffen?
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: film-Dienst
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Contact
High
Österreich/Deutschland/Luxemburg/Polen
2009
Produktion:
Iris Prod./Lotus Film/Ozumi Films/Boje Buck Prod.
Produzent:
Erich Lackner, Nicolas Steil, Peter Wirthensohn, Ursula Wolschlager , Marianna
Rowinska
Regie:
Michael Glawogger
Buch:
Michael Glawogger, Michael Ostrowski
Kamera:
Attila Boa, Wolfgang Thaler
Schnitt:
Monika Willi
Darsteller:
Michael Ostrowski (Max Durst), Raimund Wallisch (Johann "Hans" Wurst),
Detlev Buck (Harry), Georg Friedrich (Schorsch), Pia Hierzegger (Mao), Hilde
Dalik (Gretchen), Alina Pölzl (Sissi), Helmut Köpping (Fahrer)
Länge:
98 Minuten
Verleih:
Kino: Delphi
Start
(D): 18.6.2009
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