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The Company You Keep
Robert Redfords Linksterrorismus-Thriller "The Company You
Keep" macht es einem leicht, sich in den zerfurchten Gesichtern der Darsteller
zu verlieren.
Robert Redford meldet sich mit einer Regiearbeit zurück, worin
er auch eine der Hauptrollen spielt: Jim Grant, ein Anwalt mit Vergangenheit
in der militanten Protestkultur der langen Sechzigerjahre. Auf zunächst
undurchsichtige Weise ist er mit Sharon Solarz (Susan Sarandon), einer ehemaligen
Aktivistin der Weathermen verbandelt, die am Anfang von "The Company You
Keep" – nach Jahren eines im Untergrund verbrachten Doppellebens – dem
FBI ins Netz geht. Was der aufopferungsvolle, alleinerziehende Vater Jim Grant
mit der Geschichte des linksradikalen Terrorismus zu tun hat, das will auch
der junge Reporter Ben Shepard (Shia LaBeouf) herausfinden: Vergangenheitsbewältigung
als Ermittlungsarbeit.
Nicht nur aus figurendramaturgischen Gründen ist "The Company You
Keep" zwischen diesen beiden Charakteren, Redfords alterndem Anwalt und
LaBeoufs Nachwuchsjournalisten aufgespannt. Der eine ist auf der Flucht, der
andere spürt ihm nach; ihre parallelen Wege durch ein vor Naturschönheit
strotzendes Amerika der oberen Mittelschicht, von Ann Arbor bis Big Sur, lassen
sich als maßgeschneiderte Angebote an ein Publikum mit sehr unterschiedlichen
Voraussetzungen begreifen: Redfords zunehmend melancholische Fluchtbewegung
für die Alten, die womöglich selbst dabei waren, als sich eine Fraktion
des amerikanischen SDS vor dem Hintergrund des Vietnamkriegs radikalisierte
und unter die Bombenleger ging (ein frühes Positionspapier hatte eine Liedzeile
Bob Dylans zum Titel: "You don’t need a weatherman to know which way the
wind blows"), LaBeoufs investigatives Whodunnit für die Jungen, denen
dieses Kapitel der amerikanischen Geschichte wenig bis gar nichts sagt, weshalb
man es ihnen als (recht altbackenen) Krimiplot verkaufen zu müssen meint.
Etwas sehr viele politische Absicherungen häuft "The Company You Keep"
über seine knapp zweistündige Laufzeit an: Der Chefermittler des FBI
ist ein Afroamerikaner (wie übrigens auch eines der drei Todesopfer, die
der Weather Underground auf dem Gewissen hat), als Motivation für den militanten
Protest wird einzig der Vietnamkrieg zitiert (und nicht etwa der für die
Bewegung nicht minder wichtige Rassismus daheim) und die dunkle Schuld in Jim
Grants Vergangenheit löst sich zum Schluss in ein menschelndes Wohlgefallen
auf, das an liberale und konservative Gemüter gleichermaßen appelliert:
Das Herz schlägt in der goldenen Mitte.
Als Entschädigung für diese weitreichenden Entschärfungen
gibt es (neben einer Reihe weiterer Kurzauftritte alternder Hollywoodstars)
ein Wiedersehen mit Nick Nolte, dessen kaputte Raspelstimme mehr Geschichte
in sich birgt, als die versammelten (teils authentischen, teils fingierten)
Zeitdokumente, die LaBeouf für seine Altersgenossen zur Geschichtsstunde
arrangiert. Auf dem T-Shirt, das Noltes massigen Oberkörper umhüllt,
steht "Liberty or Death": Dass dieser arge Typ, wie vom Drehbuch insinuiert,
einmal mit Robert Redfords Föhnwelle befreundet gewesen sein soll, überlastet
die Tragfähigkeit der Fiktion – wie überhaupt solches (mitunter gegen
den Sinn der Erzählung gerichtetes) Insistieren einer historischen Indexikalität
in den Körpern und Gesichtern der Schauspieler zu den großen Stärken
dieses ansonsten brav dahinplätschernden Films rechnet.
Man muss, um diese Stärke zu gewahren, den Film nicht erst gegen sich selbst wenden. Dass Redford die unterirdische Kraft gealterter Schauspielerkörper ganz gezielt einzusetzen weiß, stellt er im letzten Akt von "The Company You Keep" eindrucksvoll unter Beweis. Hart an der Grenze zum Gesinnungskitsch – aber das ist genau der Punkt – zeigt er uns seinen Protagonisten im intimen Clinch mit dessen ehemaliger Mitstreiterin Mimi (Julie Christie): ein in Nahaufnahmen gefasstes Gespräch über die letzten Dinge des politischen Kampfes, das eine ganze Nacht andauert. In einer Holzhütte. An einem tiefgrünen See. Am Schein des Kaminfeuers. Ihrem ebenso schwerwiegenden wie schwerfälligen Dialog – über die Unmöglichkeit des richtigen Lebens im falschen – kann man nur mit Mühe folgen, so verführerisch ist es, sich an ihre zerfurchten, vom Feuer belebten Gesichter zu verlieren.
Solange man jung ist wie Shia LaBeouf (oder wie der von Babyface Terrence Howard verkörperte FBI-Agent), trägt man das Gesicht, mit dem man geboren wurde. LaBeoufs Reporter setzt alles daran, sein unbeschriebenes Blatt so schnell wie möglich mit einer Enthüllungsgeschichte zu füllen, wird zuletzt aber einsehen, dass es dazu eines ganzen, gelebten Lebens bedarf. Erst im fortgeschrittenen Alter – als Folge nicht nur der persönlichen, sondern auch der überindividuellen Geschichte – wächst einem endlich das Gesicht, das man verdient. "The Face You Deserve": So könnte der andere Film heißen, der neben dem manifesten Plot von "The Company You Keep" (oder vielleicht als ein Korrektiv dazu) mitläuft. In diesem – besseren – Film fokussiert Redford die Gesichter seiner Darsteller als Gesichte der Geschichte, die in ihrer sinnlichen Evidenz eine andere und politisch weniger eindeutige Sprache sprechen (obwohl sich, wie im Fall von Julie Christie, in die zeithistorischen auch schönheitschirurgische Spuren mischen), als der bisweilen unerträglich rechtschaffene Liberalismus des Films im Ganzen vermuten lässt.
Nikolaus Perneczky
Dieser Text ist zuerst erschienen im: www.perlentaucher.de
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
The Company You Keep
USA 2012 – 122 Minuten – Kinostart(D): 25.07.2013 – FSK: ab 6 Jahre – Regie: Robert Redford – Produktion: Nicolas Chartier, Bill Holderman, Robert Redford – Kamera: Adriano Goldman – Montage: Mark Day – Musik: Cliff Martinez – Darsteller: Robert Redford, Shia LaBeouf, Julie Christie, Sam Elliott, Jackie Evancho, Brendan Gleeson, Terrence Howard, Richard Jenkins, Anna Kendrick, Brit Marling, Stanley Tucci, Nick Nolte, Chris Cooper, Susan Sarandon, Stephen Root
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