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Coming Forth by Day
Zonen tiefer Dunkelheit und schwarzer Löcher lotet der ägyptische Debütfilm "Coming Forth by Day" von Hala Lotfy aus.
"Coming Forth by Day" ist das Debüt der jungen ägyptischen Regisseurin Hala Lotfy und dabei – unter anderem – ein Film über Hände und Halbdunkel. Soad ist eine Frau Anfang 30, die in einem Vorort von Kairo lebt und gemeinsam mit der Mutter den bettlägerigen Vater pflegt. Lange Zeit verharrt der Film im dämmerigen Halbschatten der elterlichen Wohnung und folgt in langen Einstellungen und langsamen Kamerafahrten den alltäglichen Verrichtungen, mit denen Soad den Vater versorgt: kochen, putzen, waschen. Sie hievt den Vater in den Rollstuhl und schiebt den Rollstuhl von einem Zimmer ins andere und wieder zurück.
Soads Bewegungen durch die Wohnung sind ein einziges Schattenspiel: sie durchquert Zonen tiefer Dunkelheit und schwarze Löcher, die sie lautlos verschlucken, dann wieder steht sie vor geöffneten Fensterläden als Silhouette, die sich schwarz vom grellen Sonnenlicht absetzt. Lichtsprengsel brechen durch halbgeöffnete, flatternde Vorhänge und setzen blitzende Akzente. Dieses filmische Chiaroscuro hat etwas Malerisches, trotzdem liegen Resignation und Erschöpfung zäh über den Bildern. Alte, schwere Möbel aus dunklem Holz bevölkern die Wohnung, oft erscheint Soads Gestalt von Türrahmen festgestellt und eingezwängt. Die Welt draußen, das Leben, ist nur über die Tonspur präsent, Stimmen, Rufe, die von sehr fern in die Wohnung dringen.
Soads Gesicht bleibt lange Zeit verdeckt und wird, auch wenn die Kamera es später in den Blick nimmt, nie zum Objekt psychologisierender Inquisition. Stattdessen sind es Soads Hände, die expressiv und narrativ werden: als Hände, die schnelle, zweckorientierte Handgriffe ausüben, den Vater füttern, einreiben, hochheben. Man sieht diesen Händen eine Unruhe und kaum unterdrückte Wut an. Sie rütteln und zerren, wenn der Vater beim Füttern den Mund nicht öffnet oder wenn der Rollstuhl sich im Türrahmen verkantet. Aber auch entrückte Momente stillen Genießens kennen diese Hände, wenn sie sich waschen, ein Stück Seife greifen, es langsam von einer Hand in die andere gleiten lassen, oder wenn sie sich eincremen, ganz geschmeidig. So ist die Sorge um sich für Soad reduziert auf kleinste körperliche Akte, Schwundstufen von großer Toilette, dem Alltag abgetrotzt.
Erst gegen Mitte des Films verlässt Soad die enge elterliche Wohnung, aber die Handlung kommt auch dann nicht wirklich in Fahrt. Soad will jemanden treffen, der nicht kommt, sie steigt von einem Autobus in den nächsten, spricht mit einer jungen Frau, die sich verhext glaubt (besessen hatte die Mutter auch Soad genannt), geht kurz in eine Moschee. In dokumentarisch anmutenden Aufnahmen zeigt "Coming Forth by Day", wie es Nacht wird in Kairo, blausilbern und metallisch blitzend. Auf der Straße sieht man fast ausschließlich Männer, einmal scheint es bedrohlich zu werden.
In einer surreal anmutenden Szene wandelt Soad allein inmitten überdimensionierter Tongefäße – an Stellen wie dieser war mir der elegisch-stilisierende Ästhetizismus des Films ein wenig zu viel. Ohnehin ist der Hang zur Allegorie die ganze Zeit präsent: der entmächtigte Vater, der noch im Sterben das Leben von Frau und Tochter bestimmt, Soads Lähmung und Ohnmacht, all das lässt sich natürlich als Kommentar auf die politische Lage in Ägypten nach dem Arabischen Frühling lesen. Weil aber "Coming Forth by Day" als Film so klug und so klar mit seinen filmischen Mitteln und Formen umgeht, hat mir der leichte – ganz leichte – Drall ins Symbolische und Bedeutsame nicht viel ausgemacht.
Elena Meilicke
Dieser Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Al-khoroug lel-nahar – Coming Forth by Day
Ägypten/Vereinigte Arabische Emirate 2012 – Regie: Hala Lotfy – Buch: Hala
Lotfy – Produktionsfirma: Hassala Productions – Produktion: Manal Khalil, Hala
Lotfy –
Kamera: Mahmoud Lotfi – Schnitt: Heba Othman – Darsteller: Donia Maher (Soad),
Salma Al-Najjar (Mutter), Ahmad Lutfi (Vater), Doaa Oreyqat (Mädchen im
Kleinbus), Ahmad Sharaf (Kleinbusfahrer), Galal Beheiri (Soldat), Nadia Al-Gindi
(Krankenschwester) – Länge: 96 Minuten – Verleih: Arsenal – Start (D):
14.11.13
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