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Coco
Chanel & Igor Stravinsky
Jan
Kounen interessiert sich für die Verbindung von " Coco Chanel &
Igor Stravinsky ", reißt aber nur in seiner Reinszenierung des vielleicht
berühmtesten Konzerts des 20. Jahrhunderts mit.
Zwanzig
Minuten lang ist "Coco Chanel & Igor Stravinsky" ein faszinierender
Film. Es sind die ersten zwanzig Minuten. Sie zeigen den Komponisten erst in
der Garderobe, dann geht er hinaus in den Saal, setzt sich unter das Publikum.
Sie zeigen Vaslav Nijinsky nicht minder nervös, und die Tänzer in
der Aufregung vor Vorstellungsbeginn. Dann hebt sich der Vorhang, Fagottsolo,
die ersten Momente der Choreografie von "Le sacre du printemps" und
sogleich Unruhe im Publikum. Die Kamera blickt vom Saal auf die Bühne,
von der Bühne in den Saal, in die Gesichter von Igor Strawinsky und Coco
Chanel. Das Orchester spielt weiter zu anschwellendem Empörungslärm,
auf der Bühne springen in erfundenen heidnischen Riten die Tänzer
herum. (Eine Rekreation der heute wieder sehr fremd anmutenden historischen
Choreografie kann man hier auf
Youtube bewundern.) Die Kamera gleitet und fliegt, der Schnitt ist überaus
flüssig und in der Verbindung von bewegter Kamera und gleitendem Schnitt
fängt der Film den Lärm, die Bewegung, die Musik, die Gesichter, den
Tanz ein und rekonstruiert überzeugend, auch in den Steigerungsformen,
die er findet, eines der großen Inferni in der Musikgeschichte des 20.
Jahrhunderts. Es ist der 29. Mai 1913.
Nach
diesem Beginn kann der Rest nur enttäuschen, was er prompt tut. Der Titel
sagt sehr unverkünstelt, worum es geht: um das Verhältnis, das der
legendäre Komponist Igor Strawinsky und die legendäre Modeschöpferin
Coco Chanel in der Tat miteinander hatten. Und zwar interessiert sich Jan Kounen
– bzw. wohl auch die Vorlage von Chris Greenhalgh, die sich allerdings als "Coco
& Igor" noch mal anders an die beiden rankumpelt – weniger für
Igor Strawinsky und Coco Chanel als für das &. Also, ja, man sieht
die beiden mehr als einmal beim Sex. Und man sieht sie, weil Kounen das Stylische
liebt, wie sie, fast grafisch abstrakt von oben, in den Pfühlen liegen
und dem Auge des Betrachters wohl gefallen. Schön anzusehen sind Anna Mouglalis
& Mads Mikkelsen im übrigen auch im bekleideten Zustand.
Zu
Beginn stellt der Film im konzertierten Zusammenschnitt der Gesichter gezielt
eine Verbindung her; in einer Art Epilog, der offenbar in beider Todesjahr 1971
spielt, bekommt die Beziehung dann, was angesichts der vielen Affären der
Coco Chanel gewiss eine Übertreibung ist, per Parallelmontage das Siegel
der Ewigkeit. In Wahrheit stand während dieser tatsächlich nur kurz
dauernden Affäre Strawinskys Frau zwischen den beiden. Das zeigt der Film
zwar, weiß aber nie ganz genau, was er mit ihr anfangen soll. Also steht
sie, sanft mehr als wütend, eher einfach herum. Melo- interessiert Kounen
ohnehin mehr als Dram, das schöne Bild mehr als die Psychologie und alle
Leidenschaft bleibt, oft zu Strawinsky-Musik, seltsam gebändigt.
Kounen
packt seine Geschichte in allzu edles Seidenpapier, das ist fast wörtlich
zu nehmen: Seltsame, am Computer designte Brokade-Muster-Effekte fassen die
Spielhandlung durchlässig ein. Und er geht, anders herum, dann auch wieder
nicht weit genug mit der Auflösung einer Beziehung in schöne Bilder.
Auf halbem Weg bleibt er stehen und so versackt, was überaus viel versprechend
beginnt, nach und nach in aufgerüschte Biopic-Konvention. Als Psychogramm
freilich taugt es nichts, Melodram will es nicht sein und weder mit der Musik
des Igor Strawinsky noch den Kostümen von Coco Chanel hat es ästhetisch
etwas zu tun.
Ekkehard
Knörer
Dieser
Text ist zuerst erschienen in: www.perlentaucher.de
Coco
Chanel & Igor Stravinsky
Frankreich
2009 – Regie: Jan Kounen – Darsteller: Anna Mouglalis, Mads Mikkelsen, Elena
Morozova, Natacha Lindinger, Grigori Manoukov, Rasha Bukvic, Nicolas Vaude,
Anatole Taubman, Eric Desmarestz, Clara Guelblum – FSK: ab 6 – Länge: 120
min. – Start: 15.4.2010
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