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Cindy liebt mich nicht 

Eine junge Frau verschwindet und hinterlässt gleich zwei ratlose Liebhaber, die sich zuvor nie begegnet sind. In einem alten Passat folgen die überdeutlich auf Gegensatzpaar getrimmten Männer, ein zumindest äußerlich wilder und ziellos in den Tag hinein lebender Lederjacken-Barmann und ein angepasster Anzug-Referendar, von Mannheim aus ihren Spuren. Diese führen sie über den Umweg des Elternhauses in die Psychiatrie und natürlich zu der verspäteten Erkenntnis, ihre große Liebe Maria falsch eingeschätzt zu haben. War ihre direkte und mitfühlende Art etwa nur vorgespielt? Verbarg sich dahinter eine tragische Sehnsucht, die von niemandem gestillt werden konnte? Spekulationen sind erwünscht, zumal das unfreiwillige Boyfriend-Gespann nicht gerade mit einem tiefer gehenden Interesse für die Verflossene glänzt. Beide wissen von ihr so gut wie gar nichts, kein Wunder, wenn man den vielen Rückblenden glaubt, teilten sie doch ohnehin außer Sex nur unpersönliche, dafür aber bedeutungsschwangere Gespräche miteinander.

 

Immerhin kommen eigene Unzulänglichkeiten in der Spiegelung mit dem Rivalen zum Vorschein, und das trotz der hilflos ins Leere laufenden, mitunter unterirdisch plätschernden Dialoge. Nur die starke Präsenz der Darsteller verhindert ein Desaster. Dafür sitzen die Details, die coolen Sonnenbrillen, intime Geständnisse in „authentischen“ Videoaufnahmen oder der schicke Retro-Look samt 1970er-Jahre-Schlagern als Soundtrack. Dazwischen ergeht sich die zähe Literaturverfilmung von Jochen-Martin Gutschs und Juan Morenos gleichnamigem Liebesroman in missglückten Stimmungsbildern, die in der Bar mit dem prophetischen Namen „Cindy liebt mich nicht“ ihren Anfang nehmen und auf malerischen, wie für einen Werbeclip ausgeleuchteten Landstraßen zum ersehnten Finale in Dänemark gelangen. Hier treffen die auf ein Happy End Hoffenden auf Marias Ehemann, der ihnen von ihren Depressionen erzählt. Nur dank der Liebe und Aufmerksamkeit von Anderen sei sie in der Lage, sich selbst lebendig zu fühlen. Wer da an das Stereotyp einer narzisstischen, Männer wie Handschuhe wechselnden „femme fatale“ denkt, liegt richtig, denn prompt fühlt sich das Duo auch schon von seiner „amour fou“ geheilt. Schließlich kann es unter den Vorzeichen der eigenen emotionalen Ausbeutung keine Zukunft mit der sich offenbar allen Erwartungen entziehenden Maria geben. Ernüchtert und getrennt voneinander wählen die Betrogenen den Rückzug. Kein romantisches Aufbäumen, keine Wut und Tränen, nirgends, und selbst ihre Kapitulation absolviert der Film mit einer Routine, die in ihrer einfallslosen Distanz ihresgleichen sucht.

 

Dass das blutleere Road Movie im Gegensatz zur Berliner Vorlage in der Provinz spielt, verdankt sich übrigens ausschließlich den Bedingungen der in Baden-Württemberg ansässigen Filmförderung und nicht etwa dem unkonventionellen Einfall der 1980 geborenen Regisseurin Hannah Schweier. Ihr entwicklungsbedürftiges Potenzial, das der großen Werbeagentur Scholz & Friends 2008 immerhin ein Stipendium wert war, beschränkt sich auf angestrengt surreale Ideen, wenn sie ihre blassen Helden in der Nervenklinik mit einem rothaarigen, übergewichtigen und diabolisch grinsenden Pfleger konfrontiert, der aus einem David-Lynch-Film entlaufen sein könnte. Ohnehin fehlt ihrem Kinodebüt die persönliche Handschrift, und so lässt das scheinbar auf dem Reißbrett entworfene Ergebnis den Eindruck eines seltsam unverdichteten Probestücks zurück.

 

Alexandra Wach

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst

 

 

Cindy liebt mich nicht

Deutschland 2010 – Regie: Hannah Schweier – Darsteller: Clemens Schick, Peter Weiss, Anne Schäfer, Jacques Malan, Dirk Schoedon, Edgar M. Böhlke, Anke Schubert, Ragna Pitoll, Linus Buck – FSK: ohne Altersbeschränkung – Länge: 92 min. – Start: 10.6.2010

 

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