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Cheyenne – This Must Be The Place
Ein grotesk
überhöhtes Roadmovie, wie’s noch keins gegeben hat. Paolo Sorrentinos ("Il Divo") erster US-Film. Etwas, um sich doch sehr zu wundern, und etwas, um
es nach kurzer Anlaufzeit zu bewundern.
Cheyenne
(Sean Penn), gealterter und schwer depressiver Rockstar, stellt vor der Kamera
seine klein gewordene Welt aus. Seine junge, ihm in Treue und Ergebenheit verbundene
Frau gehört dazu. Nicht aber sein Vater, unbekannten Ortes gerade im Sterben
begriffen. Cheyenne rafft sich auf, erstens, ihn zu suchen, zweitens, in dessen
KZ-Vergangenheit einzutauchen, und drittens, ihn zu rächen.
Wer sich
an Filmdialogen erfreuen möchte, wird von "Cheyenne – This Must Be
the Place" enttäuscht sein. Doch darum geht’s nicht. Das große
Filmerlebnis stellt sich im Lauf der Projektion ein. Zunächst Befremden
über die außer Rand und Band geratenen Kamerafahrten. Gleich zu Beginn
endet eine fast akrobatische Meisterleistung in einer Totale, die nicht minder
befremdlich eine Arbeitersiedlung vor einem hypermodernistischen, wild geschwungenen
Sportpalast zeigt. Diese Fahrten stehen im Kontrast zur brutal entschleunigten
Welt des Filmhelden. Sean Penn, das Gesicht weiß geschminkt, die Lippen
knallrot, schlurft ratlos bis desorientiert durch eine Welt, die nicht die seine
ist, gern zusätzlich verlangsamt durch die Kamerageschwindigkeit. In nahezu
jeder Einstellung ist er zu sehen. Eine penetrante Vereinsamung auf die manieristische
Art.
Halt. Mit
den negativ klingenden Adjektiven mein’ ich nichts Böses. Im Gegenteil.
Schon bald, spätestens nach dem ersten Drittel des Films, gab ich die Distanz
zum Film auf und fand mich mittendrin in den grandiosen Räumen, die er
öffnet. Man nennt das, glaube ich, ein befreiendes Rezeptionserlebnis.
Schon bald
öffnet sich der Filmraum zur Musik, natürlich. David Byrne himself tritt auf
und singt. Die achtziger Jahre melden sich. Und dann die dem Roadmovie angemessenen
Horizonte, die konturlosen weißen Weiten, die das weiße, konturlos
erstarrte Gesicht Cheyennes ablösen.
In der Hyperweite
des Raums verliert sich auch die Suche nach dem SS-Schergen. Die KZ-Vergangenheit
ist gegenwärtig, aber sie dominiert nicht. Hauptperson ist am Ende Cheyenne
selbst, der im Film einen nach allen Seiten offenen, supergroßen Erlebnisraum
findet.
Dietrich Kuhlbrodt
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Cheyenne – This Must Be the Place
Italien / Frankreich / Irland 2011 – Originaltitel: This Must Be the Place – Regie: Paolo Sorrentino
– Darsteller: Sean Penn, Frances McDormand, Judd Hirsch, Eve Hewson,
Kerry Condon, Harry Dean Stanton, David Byrne – FSK: ab 12
– Länge: 118 min. – Start: 10.11.2011
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