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Carrie(2013)
Das zum Remake von Brian De Palmas Horrorklassiker „Carrie“
viral gestreute Promovideo zeigt im „Verstehen Sie Spaß“-Modus eine auf
den ersten Blick fast alltägliche Cafészene: Ein junger Mann rempelt
versehentlich eine Frau an, die daraufhin ihren Kaffee verschüttet. Darüber
mächtig in Rage geraten, schleudert sie den Mann zum Entsetzen der Kundschaft
allein kraft telekinetischer Mächte wirkungsvoll an die Wand: Na dem hat
sie es aber gegeben! In dieser Darstellung urbaner Überreiztheit illustriert
das Video mit verblüffender Ehrlichkeit, was an dieser neuen „Carrie“-Version
so herausragend falsch ist: Der Geschichte vom Außenseitermädchen
Carrie White (Chloë Grace Moretz), das unter ihrer fanatisch religiösen
Mutter (Julianne Moore) und präpotenten Mitschülern leidet und, einsetzend
mit der ersten Monatsblutung, telekinetische Fähigkeiten entwickelt, eignet
bei De Palma und Stephen Kings literarischer Vorlage noch eine tiefe Traurigkeit.
Selbst die finale, gewaltvolle Auseinandersetzung gibt diese nicht preis: Wenn
Carrie ihre Welt nach einer letzten Demütigung in Flammen aufgehen lässt,
bildet dies nur den Moll-Schlussakkord einer großen Tragödie. Pino
Donaggio hatte das bei De Palma mit seinen melancholischen Kompositionen genauso
verstanden wie die ätherisch flüsternde Hauptdarstellerin Sissy Spacek,
die der Figur noch im Exzess eine papieren-verschreckte Qualität verlieh.
Promovideo samt Remake, der filmischen Vorlage ansonsten bis zur sedierenden
Nachplapperei sklavisch ergeben, erklären solche Sensibilitäten für
obsolet: Das Spektakel von Schub und Wucht steht ganz im Vordergrund. Der szenische
Aufbau dient einer gewaltigen Triebabfuhr. Lässt Carrie nun ihren Kräften
freien Lauf, äugt sie nicht nur evil wie Ozzy Osbourne zu Black Sabbaths
besten Zeiten, sondern zahlt es ihren Peinigern auch mit dicker Schwarte heim:
Jetzt gibt’s – drastische Musik, drastische Effekte! – so richtig was aufs Maul.
Der szenische Aufbau hat damit am Ende weit weniger einer Denunziation gewalthaltiger
Sozialstrukturen gedient als vielmehr dem Build-up einer gewaltigen Triebabfuhr:
Bis zum Ende schön angestachelt, fiebert man gleich zweimal mit, wenn es
nun endlich mal den Richtigen an den Kragen geht.
Umso trauriger ist diese Preisgabe des Stoffs an die Bedürfnisse eines auf Krawall gebürsteten Kinobetriebs, da man sich im Vorfeld mit Regisseurin Kimberley Pierce, verantwortlich für das queere Indie-Drama „Boys Don’t Cry“, durchaus Hoffnungen auf einen feministisch sensibleren Blick auf den Stoff gemacht haben durfte.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: taz
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Carrie
USA 2013 – 99 min.
Regie: Kimberly Peirce – Drehbuch: Lawrence D. Cohen, Roberto Aguirre-Sacasa,
Stephen King – Produktion: Kevin Misher – Kamera: Steve Yedlin – Schnitt: Lee
Percy – Musik: Marco Beltrami – Verleih: Sony Pictures – FSK: ab 16 Jahren –
Besetzung: Chloë Grace Moretz, Julianne Moore, Judy Greer, Gabriella Wilde,
Portia Doubleday, Alex Russell, Cynthia Preston, Michelle Nolden, Ansel Elgort,
Skyler Wexler, Zoë Belkin, Connor Price, Max Topplin, Samantha Weinstein,
Kim Roberts
Kinostart (D): 05.12.2013
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