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Cadillac
Records
In ihrem Mehrpersonen-Biopic "Cadillac
Records" erzählt Regisseurin Darnell Martin von der Revolution der
populären Musik durch Muddy Waters und Co. und erfindet dabei weg und dazu,
was ihr passt.
Aus zwei mach eins, bewährte Formel
für nach wahren historischen Begebenheiten erzählte Filme: So macht,
für "Cadillac Records", Regisseurin und Drehbuchautorin Darnell
Martin aus dem Brüderpaar Phil and Leonard Chess, das in den fünfziger
Jahren die legendären Chess Records gründete, den bruderlosen Alleingründer
Leonard (spielt das locker für zwei: Adrian Brody). Eine
Motivations-Vorgeschichte bekommt der durch Fiktionalisierung verwaiste
Leonard, kompensatorisch sozusagen, auch: jüdisch-polnische Herkunft, für
die ihn der Vater der Frau, die Leonard heiraten will, umso gründlicher
verachtet, als auch er selbst jüdisch-polnischer Herkunft ist.
Mit leichter Hand fügt der Film eins
immer zum andern. Die Parallelmontage ziemlich am Anfang zum Beispiel macht
unmissverständlich klar, dass den Außenseiter Chess dieses – etwas
anders geartete – Außenseitertum mit den Schwarzen im Süden der USA
verbindet. Das Gute und Schlechte an "Cadillac Records" ist die Leichtfüßigkeit
mit der der Film gutgelaunt Blödsinn auf Blödsinn folgen lässt:
irgendwie heben sich die Klischees und die Legenden und das Sepia-Bild von den
fünfziger und sechziger Jahren gegenseitig fast auf, neutralisieren jedenfalls
den schlechten Geschmack, den das alles bei Lichte besehen machen müsste.
Und letztlich ist das natürlich nur
möglich durch den Zauber der Musik. Den
man schon deshalb verlogen finden kann, aber auch ein verlogener Zauber ist
ein Zauber, und es ist der Zuschauerin und dem Zuschauer nur sehr bedingt zu
verdenken, wenn sie oder er ihm für die Dauer von knapp zwei Stunden wider
besseres historisches Wissen ein bisschen erliegt.
Hereinspaziert aus der Parallelmontage
des Anfangs kommt – ich verkürze hier etwas und lasse auch die eine oder
andere züchtige Sex-Szene aus – in Leonard Chess’ Studio in Chicago, frisch
von den Feldern des südlichen Mississippi, Muddy Waters. Chess hat das
Ohr zu hören, dass von dieser elektrifizierten Gitarre und dieser Stimme
eine Revolution der populären Musik ausgehen wird. Chess hat auch den Geschäftssinn,
sich einen Löwenanteil an den finanziellen Erfolgen der von ihm unter Vertrag
genommenen Künstler zu sichern. Dafür bekommen die Künstlerinnen
und Künstler einen Cadillac vor die Tür gestellt.
Die Revolution bricht also aus. Sie involviert
in der Folge noch den allzu jung verstorbenen Little Walter (Columbus Short),
Howlin’ Wolf (ganz besonders toll: Eamonn Walter), Chuck Berry (auch toll: Mos
Def), den Songwriter Willie Dixon (Cedric, the Entertainer; vor allem zu hören
als Voiceover-Off-Erzähler) und, ganz gewiss nicht zuletzt, Etta James
(Beyonce Knowles, dazu gleich mehr). Davon, wie diese Männer und diese
Frau mit dem Blues und dem Rock and Roll die populäre Musik neu erfinden,
erzählt, summa summarum, der Film.
Er gibt auch vor, etwas über die
Rassentrennung in den USA zu sagen zu haben, aber weil er alles in Blues-Töne
wickelt, die sehr absichtsvoll auch schon mal per Montage von Studioszenen hinaus
in Bilder aus dem richtigen Leben sickern; und weil die Regisseurin außerdem
alles in ein schönes warmes Licht setzen lässt; weil das Herz des
Films unverkennbarerweise doch da schlägt, wo die Musik spielt, kann einem
völlig absurderweise sogar bei diesen paar Gesten in Richtung historischer
Wahrheit und Wirklichkeit warm ums Herz werden. Es nagt der ekle Zahn der Nostalgie
doch böse am Kern von "Cadillac Records".
Zum auch eher enervierenden Äußeren
gehören allerlei Liebes- und Drogengeschichten. Vor allem die vom hollywoodwärts
blickenden Drehbuch herbeifantasierte Liebes-Nicht-Beziehung zwischen Leonard
Chess und Etta James. Überhaupt gravitiert der Film zu seinem Schaden zusehends
in Richtung Etta James. Was einfach zu erklären ist – schließlich
hat deren Darstellerin Beyoncé Knowles das Werk als eine Art Vanity-Projekt
mitproduziert. Sie hat James-Klassiker neu eingesungen und sie tut mit den Augen
und den Lippen und den Hüften allerlei, um niemanden übersehen zu
lassen, dass sie auch eine große Schauspielerin ist. Das ist denn doch
eher kontraproduktiv.
Am Ende, so erzählt es der Film,
kommen die Weißen aus England und stehlen den Schwarzen ihre Musik. Zum
Trost – und einen Trost, diese Sorte Film ist das, muss es geben – fliegt Muddy
Waters nach England, wo auf ihn die Verehrung der Fans wartet. Ein roter Teppich
wird ausgerollt, es sieht ein bisschen aus, als würde da irgendwem
die Zunge rausgestreckt. Den Stones? Oder doch der historischen Wahrheit? "Cadillac
Records" ist jedenfalls angenehme Verlogenheit mit fabelhafter Musik.
Ekkehard
Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in: www.perlentaucher.de
Cadillac
Records
USA 2008 – Regie: Darnell Martin – Darsteller: Adrien Brody, Jeffrey Wright, Beyoncé Knowles, Gabrielle Union, Columbus Short, Mos Def, Cedric the Entertainer, Emmanuelle Chriqui, Eamonn Walker, Tony Bentley – Länge: : 109 min. – Start: 23.4.2009
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