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The Cabin in the Woods

 

 

Erstens kommt es anders und drittens wie gewohnt

Drew Goddards „The Cabin in the Woods“ arbeitet den Horrorfilm gewitzt mit den Mitteln des Serienfernsehens durch.

Fünf Jugendliche ziehen sich für ein Partywochenende in eine verlassene Waldhütte zurück. Etwas lauert im Dunkeln. „Du denkst, du kennst die Geschichte?“, fragen die Plakate zu Drew Goddards „The Cabin in the Woods“. Solche Zuversicht ins eigene Bescheidwissen hat das Horrorkino seinem Publikum freilich längst ausgetrieben. Seit dem Sensationserfolg von „The Sixth Sense“ (1999) kommt kein Horrorfilm, der auf sich hält, ohne rückwirkende Aha-Momente und doppelt gezwirbelte Schlusspointe aus.

Auch bei Goddard kommt es erstens anders und zweitens als man denkt, also drittens so wie gewohnt – wenngleich mit ungewöhnlicher Konsequenz: Wo andere Filme einzelne dramaturgische Elemente drehen und wenden, hat die erzählerische Versuchsanordnung von „The Cabin in the Woods“ das Horrorgenre als Ganzes im Auge.
Wie genau das geschieht, sei hier nicht verraten. Seine Logik führt der Film aber bereits in einer frühen Szene anschaulich vor: Hinter einem Gruselgemälde kommt ein einseitig verspiegeltes Fenster ins Nebenzimmer zum Vorschein. Man wirft kurze Blicke auf die andere Seite, dann wird das Bild wieder aufgehängt und ein Tuch darüber geworfen. Wir lernen: Auf jede Enthüllung folgt eine Neuverhüllung. Wichtig ist nicht, was hinter den Bildern steckt, sondern die Freude am Anhäufen von Schichten.

„The Cabin in the Woods“ ist ein Meta-Horrorfilm, der – und das ist seine Stärke – mehr vom Spieltrieb geleitet ist als von einem klaren Erkenntnisinteresse. So stellt der Film zwar zwischen der Hütte im Wald und einem geheimnisvollen zweiten Schauplatz eine Verbindung her, die sich durchaus als Polemik gegen das Blickregime des Horrorfilms lesen lässt. (Michael Hanekes „Funny Games“ lässt gleich mit den blutroten Anfangstiteln grüßen.) Diese Programmatik unterläuft Goddard aber permanent, indem er die Beziehung der Bestandteile zueinander unablässig variiert.

Der Film erzählt dabei auch, recht direkt, von Kinomagie als Routine. Die aufgewandten Mittel stammen aber eher aus dem Serienfernsehen, wo Goddard ebenso herkommt wie sein Co-Autor und Produzent, der kultisch verehrte Joss Whedon. „The Cabin in the Woods“ dokumentiert nicht zuletzt, wie die US-Filmproduktion bislang auf die Rede vom Fernsehen als „besseren Kino“ reagiert hat. Serienmacher wie J.J. Abrams oder eben Whedon werden engagiert, um kleinteilige Hollywoodmaschinen („Star Trek“, „The Avengers“) auf Kurs zu bringen. Darüber hinaus hat sich im US-Kino aber auch eine Erzählweise atemloser Serialität festgesetzt, die zuerst von Serien wie „24“, „Lost“ oder „Breaking Bad“ geprägt worden war. Die Beispiele reichen von Christopher Nolans Batman-Plotkaskaden bis zu unabhängig finanzierten Fanboy-Favoriten wie Kevin Smiths „Red State“ oder James Gunns „Super“: Filme, die allesamt nicht vom Bild her gebaut sind, auch nicht auf „starke“ Szenen hin, sondern ganz im unberechenbaren Getriebe der Ereignisse, Cliffhanger und Peripetien aufgehen.

Dieses Kino treibt „Cabin in the Woods“ bis an seine Grenzen. Statt blankem Schrecken spuckt der Film dabei vor allem Tüftelspannung und ironisch gebrochene Anteilnahme aus. Das ist gewitzt konstruiert und sehr hübsch anzusehen, aber auch so sehr in sich selbst verkapselt, dass am Ende der Gleichung – Achtung, Spoiler! – ganz buchstäblich kein Rest bleibt.

Joachim Schätz

Dieser Text ist zuerst erschienen in: Falter (Wien) 36/2012

The Cabin in the Woods
USA 2010 – Regie: Drew Goddard – Darsteller: Chris Hemsworth, Kristen Connolly, Anna Hutchison, Fran Kranz, Jesse Williams, Richard Jenkins, Bradley Whitford, Brian White, Amy Acker, Tim De Zarn, Tom Lenk – FSK: ab 16 – Länge: 95 min. – Start: 6.9.2012

 

 

 

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