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Buddenbrooks

Hanno & Glubschi

 

Der Kostümfilm "Buddenbrooks" sieht aus, wie ein Kostümfilm nach den Vorstellungen Heinrich Breloers auszusehen hat.

 

Die "Buddenbrooks" haben weniger mit Thomas Manns Roman zu tun als mit des Spielfilm-Debütanten Heinrich Breloers Vorstellung davon, wie die Verfilmung eines historisch gewordenen Romans auszusehen hat. Oder davon, wie er glaubt, dass die Phalanx seiner vom Fernsehen kommenden Produzenten und Koproduzenten glauben, dass eine Literaturverfilmung aussehen muss. Und in der Tat: So sehen die "Buddenbrooks" nun aus, eingesperrt noch nicht einmal, wie es meist die Crux beim Verfilmen von großer Literatur ist, in die Erwartungen, die das Meisterwerk schuf, sondern eingesperrt in die Erwartungen, die die Klischees des Literaturverfilmens schaffen.

 

Breloer tut, was er kann. Und was er konnte, war nie gut. Sein Fernseh-Doku-Fiktions-Format beruhte schon immer auf der Entproblematisierung des Dokument-Spiel-Zeugenbefragung-Fiktions-Übergangs. Er hat das Ineinander von Originalmaterial und Interviews und Nachstellung in Spielfilmszenen mit den "Manns", mit "Speer und er"  zu einer Perfektion entwickelt, die nur belegt, dass man auch einen von vorneherein dummen und unproduktiven Gedanken zur Vollendung bringen kann. Das Format ist einer rasenden Darstellungs- und Bebilderungswut verdankt, die nicht weniger rasend dadurch wird, dass Breloer sie ohne jede Anstrengung ins Biedere seiner Fernseh-Ästhetik zu bändigen versteht.

 

Die "Buddenbrooks" sind nun das, was von Breloer übrigbleibt, wenn man ihm die Zeugen und das Originalmaterial nimmt. Er will nur nachspielen, wie er es im Fernsehen gelernt hat, das Gelernte aber mit den reichlichen Mitteln, die ihm das Fernsehen zur Verfügung stellt, so lange aufbrezeln, bis dabei eben seine Vorstellung davon, was eine Literaturverfilmung zu sein hat, herauskommt. Also gilt es nicht einmal so sehr, Figuren und Sätze wiederzufinden, die man aus dem Roman schon kennt. Es gilt viel eher, das juste milieu eines Tons, einer Welt aus Kostümen zu finden. Was heißt: den sauber künstlichen Fernsehton, dazu einen sauber steifleinenen Darstellerstil, in dem Armin Müller-Stahl (als Patriarch Jean Buddenbrook) und Iris Berben (als seine Frau) zum Beispiel geben, was sie an Müller-Stahl- und Berbenhaftigkeit haben.

 

Nun ist das Müller-Stahl-hafte und das Berben-hafte mit dem Kostümfilm reibungslos kompatibel. Schwieriger wird es bei Jessica Schwarz, deren Verwurzelung in der Gegenwart, deren Zeitgenossenschaft auch durch Korsett und Kostüm nicht zu unterdrücken ist. Sie ist als Tony Buddenbrook das Zentrum mindestens der ersten Hälfte des Films; all ihre unglücklichen Liebesgeschichten werden aneinandergereiht – freilich ohne Mann-typische Motivverkettungen und ohne, nur zum Beispiel, einen Blick, der von heute fiele, auf das, was damals Schicksal der Frauen war.

 

Breloer wagt, mit einem Wort, nichts. Er illustriert, lässt aber, in Bild und Ton, immer die Hintergründe weg, vor denen das Niedergangsgeschehen Tiefe gewänne. Die Illustration wagt kein Wort gegen das Buch, und wo Breloer einen leisen Schritt Richtung Regietheater und Gegenwartsbezug unternimmt – in der Zuspitzung auf die Weisen des Wirtschaftens nämlich, da macht das dann, so unentschieden, wie es daherkommt, keinen Sinn. Im ästhetischen Zugriff gibt es schon gar keinen Gedanken, der als analytisch, als eigenständig zu erkennen wäre. Was es gibt, ist der Versuch, dem in der Langeweile erstickten Roman kompensatorisch etwas Leben auf den Leichnam zu schminken. Darum fuhrwerkt im akribisch nachgebauten Buddenbrookshaus Gernot Rolls Kamera sinnlos herum. Wer das Spezifische des Bewegtbilds mit unsinniger Kamerabewegung verwechselt, mag das dann für genuin filmisch halten.

 

Nun ist die Verfilmung großer literarischer Werke immer ein Unding, solange ihr nicht gelingen kann, was gelingen muss: vergessen zu machen, dass da ein anderes Medium, eine Vorlage war. Oder, ganz im Gegenteil: In jedem eigenen Bild und Zug und in jeder Einstellung das Original als Vor- und Gegenbild mitzudenken. Bei Heinrich Breloer ist weder das eine noch das andere der Fall. Ihm gelingt es dagegen, vor Thomas Manns Roman zugleich zuviel und zuwenig Respekt zu haben. Er sperrt sich selbst ins Gefängnis des Romans, tapeziert die Zelle mit biederen Illustrationen seiner Motive für sechzehn Millionen und ist es zufrieden. Herausgekommen sind dabei immerhin die 150 ödesten Kinominuten des Jahres. Im Fernsehen kommen dann – ecce Amphibienfilm – noch einmal dreißig dazu.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen am 24.12.2008. in: www.perlentaucher.de 

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Buddenbrooks

Deutschland 2008 – Regie: Heinrich Breloer – Darsteller: Armin Mueller-Stahl, Jessica Schwarz, August Diehl, Mark Waschke, Iris Berben, Léa Bosco, Raban Bieling, Justus von Dohnanyi – Prädikat: besonders wertvoll – FSK: ab 6 – Länge: 150 min. – Start: 25.12.2008

 

 

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