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Bright Star

 

 

 

Mit "Bright Star" hat Jane Campion einen Kostümfilm über die sehr befristete Liebe des Dichters John Keats zu seiner Nachbarin Fanny Brawne gedreht.

 

Endlose Ströme umfangreichster Biografien mehr oder minder berühmter Menschen ergießen sich Jahr für Jahr auf den britischen Buchmarkt. Zu den Spezialisten dieses boulevardnah siedelnden Gewerbes, die Spezialisten nicht für einen Gegenstand sind, sondern fürs Suchen nach Spuren, fürs Waschen oft genug schmutziger Wäsche und fürs Wühlen in Archiven, aus denen sie Einzelheiten ziehen, für die von Rechts wegen keine Sau sich interessieren sollte – zu diesen Spezialisten also, die alles wegbiografisieren, was ihnen vor die Flinte kommt, gehört auch der britische Ex-poeta-laureatus Andrew Motion. Vor gut zehn Jahren hat er eine Biografie des Dichters John Keats veröffentlicht, die bald darauf der australischen Filmemacherin Jane Campion ("Das Piano") in die Hände fiel. "Bright Star" ist das Ergebnis dieser Begegnung.

 

Es figuriert in der Biografie des John Keats, was für die Gedichte naturgemäß wenig zur Sache tut, die Liebesgeschichte zur ihrerseits ohne Keats nie und nimmer auf die Nachwelt gekommenen Fanny Brawne prominent. Kurz war das Leben des Keats, kürzer noch, sehr viel kürzer, war die Zeit, die den beiden für ihre Liebe blieb. Geboren war sie, die Liebe, aus der Not. Keats fand, bettelarm, bei einem befreundeten Dichter namens Charles Armitage Brown Unterschlupf vor den Toren von London und traf in diesem Unterschlupf auf die noch nicht volljährige Tochter der Vermieterin: Fanny. Über sie ist wenig überliefert, nicht zuletzt, weil Keats die Briefe, die sie ihm schrieb, nicht aufbewahrt hat. Seine jedoch haben wir noch. Aus ihnen bedient sich der Motion folgende Film fürs dampfgekochte Drama, das er aus den historischen Fakten macht.

 

Fanny ist der Bearbeitung durch heutige Fantasie und Projektion zugänglicher als Keats, in dem die Klischees vom verkannten und armen und kranken und viel zu früh verstorbenen Genie auf fast schon wieder langweilige Weise zusammenkommen. Campions Ehrgeiz geht nun dahin, diesem Keats (gespielt von Ben Wishaw) eine selbstbewusste Fanny (Abbie Cornish) gegenüberzustellen. Ein eher ärgerlicher Sekundärimpuls: die Unbekannte, die für Keats schon vor allem eine Projektionsfläche gewesen sein dürfte, wird nun in pseudofeministischer Nachträglichkeit aufgemantelt zur würdigen Partnerin des armen Genies. Die Strategie ist durchsichtig und eine Szene nach der anderen von "Bright Star" besteht aus der nicht unangestrengten Arbeit, die in die Selbstbehauptung Fanny Brawnes gesteckt wird. Dem selbst wenig begabten Dichter Brown (Paul Schneider), enger Freund Keats’, hier aber vor allem als Fannys Widerpart eingesetzt, hält sie wiederholt stand. Und gleich zu Beginn reicht Jane Campion ihrer Heldin Nadel und Faden. Im ersten Bild des Films setzt Fanny einen Stich: Sie näht ihre Kleider selbst, gewillt zu ein wenig Extravaganz. In Farbe und Schnitt ragt die Heldin per handgenähtem Kostüm aus dem Restpersonal, ohne je richtig besonders zu sein.

 

Ein wenig ist das auch ein Selbstporträt Campions, ob sie will oder nicht. Eine Filmemacherin ermäßigten Eigensinns. Den Pomp, die Widerstandsüberwindungsdramaturgie und die eine oder andere Kostümliebesfilmgenreeinschlägigkeit fährt sie runter. Das allein, eine gewisse Dezenz (aber: Schmetterlinge! Geigen!), ein gewisser Fluss der Montage, ein gewisser Zug zu Impressionismus statt Ausstattungspomp hat Teile der Kritik bei der Aufführung von "Bright Star" in Cannes schon begeistert. Zu Unrecht. Jedem Schritt, den sich Campion vom typischen Kostümfilm entfernt, folgt ein Schritt in die andere Richtung sehr verlässlich.

 

Auf nichts muss man ganz verzichten: die Kostüme nicht, den Einspruch widriger Wirklichkeit gegen die Liebe nicht, das Liegen im Kornfeld nicht, die zärtliche Annäherung und das Verzweifelt-vor-dem-Fenster-Herumstehen nicht und zuletzt auch auf den Heulkrampf nach Übermittlung der Todesnachricht nicht. Worauf man dagegen verzichten oder jedenfalls bis zum Abspann warten muss: dass man von Keats hört, was an ihm eigentlich interessant ist – ein vollständig rezitiertes Gedicht. Sonst nur funktionalisierte, florilegisch herausgepflückte schöne Stellen: A Thing of Beauty Is a Joy Forever. Nicht fürs Gedicht und den, der sie schrieb, interessiert sich der Film, er bedient sich nur der Gedichte: für Liebesbehauptung, Todesahnung und dergleichen. In keinem der Züge, die ihn vom Üblichen distanzieren sollen, ist Campions "Bright Star" konsequent. Heraus kommt ein weitgehend geschmackssicher, stets elegant inszeniertes Werk, voll guter Absichten und freundlich-trauriger Leidenschaft, weit entfernt von Zumutungen und wirklicher Originalität jeder Art. Kurzum: Bionade-Biedermeier für Kinogänger.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in www.perlentaucher.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

Bright Star – Meine Liebe. Ewig

Großbritannien / Australien / Frankreich / USA 2009 – Originaltitel: Bright Star – Regie: Jane Campion – Darsteller: Ben Whishaw, Abbie Cornish, Paul Schneider, Kerry Fox, Thomas Sangster, Samuel Barnett, Sebastian Armesto, Samuel Roukin – FSK: ab 6 – Länge: 119 min. – Start: 24.12.2009

 

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