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Brand
Upon the Brain!
Mit
dem herrlich skurillen The
Saddest Music in the World
gelang dem kanadischen Einsiedel-Independent-Regisseur Guy Maddin vergangenen
Dezember (2008 – die
fz-Redaktion)
auch endlich in Deutschland der Einstand in den Kinobetrieb. Dem war eine (meines
Wissens komplette) Retrospektive im Kino Arsenal vorangegangen, nun läuft
sein neuestes Werk unter dem Rubrum "Forum Special Screening". Es
bleibt zu hoffen, dass solche Manöver den eigenwilligen Regisseur in der
deutschen Filmlandschaft auch für die Zukunft verankern.
Brand
Upon the Brain!
ist eine "Remembrance in 12 Chapters", wie das Insert zu Beginn verrät.
Das "by Guy Maddin" ist in diesem Falle wörtlich zu verstehen:
Maddin selbst reist zu Beginn auf eine entlegene, kleine Insel, auf der er seine
Kindheit in einem dem starken Regiment seiner Mutter unterstehenden Waisenhaus
verbracht haben will. Hier steckt alles voller Erinnerungen, voller Past-ness. Natürlich
greift er zum Pinsel, um dem in einem Leuchttum gelegenen Waisenhaus einen neuen
Anstrich zu verpassen – und um also alte Erinnerungen zu übertünchen.
Natürlich
geht das Vorhaben schief: Munter übersprudeln sich die Ereignisse, kommen
bizarre Bilder wieder, die sich aus dem Stummfilm, der Mythologie der Phantastik
und der Schundliteratur des späten 19. Jahrhunderts speisen. In einem aberwitzigen
Bilderreigen geht es um Mütter, die wie Vampire "Nektarit" aus
den Kindern saugen, um emsig in Kellern arbeitende Väter, die den Jungbrunnen
erfinden, um Filmstars, die zu Detektiven aus Jugend-Kriminalromanen werden,
und Jugendlieben, die Gender-Grenzen überwinden. Das Bizarre und Skurille,
das Witzige und Erschreckende liegen bei Maddin nahe zusammen: Wenn Film, wie
allerfrüheste Filmtheorie gerne behauptet hat, den Modus von Erinnerung
und Träumen wiedergibt, dann liefert Guy Maddin einen verführerischen
Beweis dafür, dass dies gelten mag, solange denn der richtige an den Apparaturen
sitzt.
Denn
Brand
Upon the Brain!
ist ungemein rasant und höchst assoziativ gestaffelt, filmischer stream
of consciousness.
Dies ist vor allem Maddins künstlerischem Projekt zu verdanken: Seit Jahren
arbeitet sich Maddin an der spezifischen (Material-)Äthetik der Stummfilmzeit
ab, ohne dabei bloß Pastiche-Gesten für versonnene Nostalgiker abzuliefern.
Im Gegenteil, Guy Maddin nimmt den Stummfilm in einer Weise ernst, die Schwindeln
macht: Maddin dreht keine bloße Reprise, sondern denkt Stummfilm in einer
Weise weiter, als hätte die Film-Genealogie in den späten 20er Jahren
an einer anderen Stelle abgebogen.
Gerade
das Stumme und materialästhetisch Verfremdete bietet sich als Medium für
einen stream
of consciousness
an; in Brand
Upon the Brain!
hat Maddien, der die Techniken für eine solche Filmkonzeption im jahrelangen
Privatstudium weit abseits des Filmbetriebs erlernt hat, seine Methode zu einer
Perfektion heranreifen lassen, die, allerdings, gerade so noch auf der Kippe
zum "Maddin-Manierismus" steht.
Zwar
mag Brand… an
seinen Vorgänger nicht ganz heranreichen; dennoch stecken in ihm noch immer
so viele Ideen, die sich in rasantester Flüchtigkeit vor einem abspielen,
wie sie manch anderer Filmemacher zahlenmäßig in seiner ganzen Schaffenszeit
nicht anhäufen kann. Alleine die Vision schon, die Maddin antreibt, seine
Liebe fürs – motivische wie rein physische – Material und nicht zuletzt
die sture Eigenwilligkeit, mit der Maddin sich voran durchs Werk bewegt, lassen
auch in Brand
Upon the Brain!
nichts anderes zu als freudiges Staunen, zumal wohl in der Deutschen Oper, wo
der Film am 15.02. in einer (schon ausverkauften) Sondervorführung mit
Geräusch- und Musikorchester und Isabelle Rosselini als Filmerzählerin
(im normalen Kino ist ihr Kommentar Teil der Tonspur) aufgeführt werden
wird.
Thomas
Groh
Dieser
Text ist zuerst erschienen, anlässlich der Berlinale 2009, im:
Brand
Upon the Brain!
USA
/ Kanada 2006 – Regie: Guy Maddin – Darsteller: Gretchen Krich, Sullivan Brown,
Maya Lawson, Katherine E. Scharhon, Todd Jefferson Moore, Andrew Loviska, Kellan
Larson, Erik Steffen Maahs, Cathleen O’Malley – Fassung: O.m.d.U. – Länge:
95 min. – Start: 17.12.2009
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