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Bonjour
Sagan
Ein
angenehm verpfuschtes Leben
Ganz am Anfang war der Hit! Kaum zu glauben:
Mit 18 Jahren veröffentlichte die Studentin Francoise Quoirez 1954 bei
einem renommierten Pariser Verlag den Debüt-Roman „Bonjour Tristesse“,
der auch heute noch durch die rücksichtslose wie präzise Beschreibung
einer Nachkriegsmentalität, die weder zu Enthusiasmus noch zu Verzweiflung
in der Lage ist, beeindruckt.
Das provozierend amoralische Buch wird
ein Skandalerfolg, bekommt renommierte Preise, die Autorschaft der Debütantin
wird in Frage gestellt – aus Rücksicht auf ihre Familie wählt die
Autorin lieber ein Pseudonym: Francoise Sagan. Man greift nicht zu hoch, wenn
man sagt: mit Francoise Sagan ist die Pop-Literatur geboren. Als weiblicher,
libertinärer Dandy wird Sagan eine jugendliche Kultfigur, zelebriert voller
Leichtsinn und Sorglosigkeit einen ausschweifenden Lebensstil zwischen Parties
und Casinos, zwischen gescheiterten Ehen und lesbischen Affären, gibt Interviews
voller Esprit und Charme und veröffentlicht in den ersten Jahren ihrer
Karriere zuverlässig Bestseller wie „Lieben Sie Brahms?“ oder „Ein Schloss
in Schweden“. Das Ende der Sagan – ungefähr 30 weitere, mal gelungene,
mal weniger gelungene, häufig als trivial abgetane Bücher später
– sieht dann weniger glamourös aus: Verarmt und vergessen, hoch verschuldet
und zunehmend erfolglos, verwickelt in Drogendelikte, Verfahren wegen Steuerhinterziehung
und den „Elf Aquitaine“-Bestechungsskandal stirbt die Autorin 2004 an einer
Lungenembolie. Kurzum: ein amoralisches Leben als Steilvorlage eines moralischen
Biopics.
Die Filmemacherin Diane Kurys hat sich
nämlich entschlossen, Sagans Biografie von hinten aufzuschließen,
was insofern eine etwas unglückliche Entscheidung ist, weil sich ihre Erzählung
so fraglos in das moralinsaure Schema von »Aufstieg und Fall« fügt
und dem jugendlichen Aufbruch gewissermaßen im Voraus die Quittung hinhält.
So kommt der Film nicht recht in Schwung, wirkt verzweifelt und verzagt, wo
er doch von Kühn- und Keckheit, von Modernität, Lebenslust und einem
erstaunlichen Habitus einer hellsichtigen und desillusionierten Kälte erzählen
sollte. »Life on the fast lane«, ein Leben ohne Rücksicht auf
Verluste – das gibt es hier nur als Pose oder als düsteres Ausmalen der
körperlichen Konsequenzen.
Doch alles, was Sie immer schon über
Francoise Sagan wissen wollen und nicht zu fragen wagten, weil hierzulande kaum
noch jemand Francoise Sagan kennt, ist der Film dann auch nicht geworden. In
Frankreich, wo Sagan zu einer Figur des öffentlichen Lebens wurde, die
mit Sartre und Mitterrand Umgang pflegte, trägt der aus einer zweiteiligen
Fernsehproduktion hervorgegangene Film schlicht den durchaus stimmigen Titel
„Sagan“. Hierzulande braucht es schon das „Bonjour“, damit man sich an Sagan
und ihre reizvolle „Tristesse“ erinnert.
Diane Kurys’ Biopic wählt aber entschieden
und sehr selbst bewusst die Position der vertrauten Nähe: Vieles, was in
Frankreich vielleicht noch bekannt ist, was vielleicht als Pop-Mythos „Sagan“
kursiert, setzt der Film Augen zwinkernd und mutig voraus, um ein dynamisches
Bild der Pariser Bohemiens zwischen dem Casino von Deauville und der Sommerfrische
von St. Tropez zu zeichnen. Wer sich allerdings nicht so gut auskennt, wird
auf einen Teppich von Leerstellen stoßen, der sich um Wichtungen und Wertungen
nicht bekümmert, der sich auch um Datierungen und Psychologie nicht schert
und sich keinen Moment für das Produzieren von Literatur oder intellektuelle
Dabatten interessiert. Wenn das Handeln bestimmter Figuren in Bezug auf Sagan
völlig unmotiviert bleibt, kann das auch schon mal ziemlich ärgerlich
sein. Wenn Klatsch auf Insiderwissen gründet, ist er nur langweilig. Nie
erfahren wir in diesem Film beispielsweise, worum es in „Bonjour Tristesse“
eigentlich geht, „1968“ findet auch nur im Fernsehen statt, Feminismus Fehlanzeige.
Dass Sagans frühe Erfolge in Hollywood von Otto Preminger und Anatole Litvak
erfolgreich verfilmt wurden, hier erfährt man es nicht. Sagans Beziehungen
zu Peggy Roche (Jeanne Balibar) und zu dominant-intriganten Astrid (Arielle
Dombasle) bleiben mehr als vage, das schwierige Verhältnis zu ihrem Sohn
wird unzureichend thematisiert. Viel lieber schwelgt der Film in Episoden eines
angenehm verpfuschten Lebens, wie es Sagan einmal im frühzeitig selbst
verfassten Nachruf auf sich selbst formuliert hat – und glaubt sich damit vielleicht
sogar im Einklang mit der Autorin.
Womit wir beim letzten Einwand gegen diesen
Film wären: Immer wieder wird die Handlung des Films durch sehr pointierte
und wirklich bedenkenswerte Reflexionen Sagans aus dem Off aufgebrochen und
kommentiert. Leider klafft eine erhebliche und gar nicht schöne Diskrepanz
zwischen der Sagan, die wir auf der Leinwand sehen, und der Sagan, die wir aus
dem Off hören, so als habe man die Intellektuelle vom drogensüchtigen
Partymenschen abkoppeln wollen. Dazu passt, dass Sylvie Testud als Francoise
ihre Rolle als Vorlage benutzt, ihre Figur manieriert mit ein paar Haltungs-
und Bewegungsmacken auszustatten, die aber auch bloß oberflächlich
bleiben. Die junge Francoise scheint ein koboldhaftes Instinktwesen, dass unbekümmert
Tabus bricht, weil es scheinbar keine Tabus kennt. Die alte Francoise sieht
dagegen aus wie der alte Iggy Pop, was jetzt ausnahmsweise einmal nicht als
Kompliment gemeint ist. Testuds darstellerische Zirkusnummer ist zwar für
sich beachtlich, aber lieber als über die Kompetenz des Maskenbildners
hätten wir doch mehr über die Frau erfahren, die ihre Bücher
stets mit einem irritierenden „Avec toutes mes condoleances“ („Mit herzlichem
Beileid“) signierte. Aber auch diese aussagekräftige Pointe verschenkt
der Film atemberaubend leichtfertig.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: Stuttgarter Zeitung
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Bonjour
Sagan
Frankreich
2008 – Originaltitel: Sagan – Regie: Diane Kurys – Darsteller: Sylvie Testud,
Pierre Palmade, Lionel Abelanski, Jeanne Balibar, Arielle Dombasle, Denis Podalydès,
Guillaume Gallienne, Samuel Labarthe – FSK: ab 12 – Länge: 117 min. – Start:
1.1.2009
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