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B-Movie: Lust & Sounds in West Berlin1979 – 1989
Als im Sommer 1981 Kid P. im Auftrag des Hamburger Musikmagazins „Sounds“ nach West-Berlin reiste, um dortselbst „die Wahrheit über Berlin“ zu recherchieren, bot sich dem Reporter ein Bild des Schreckens: „Berlin besteht heute aus Rentnern, Türken und Versagern.“ Weil aber „Sounds“ ein Musikmagazin war, widmete sich der Reporter ausschließlich der Gruppe der Versager, die aus unterschiedlichsten Gründen in die Mauerstadt gezogen waren, um mit allerlei Musik-, Kunst- und Lifestyle-Projekten in der „Frontstadt“ (Berlin über Berlin) die Nacht zum Tage zu machen. Aus der Hamburger Sicht eines Kid P. hatte die Westberliner Musikszene damals allerdings schon komplett den Anschluss verloren und spielte in einer Liga mit Hannover oder Bottrop. Jahrzehnte später stellt sich die Sache etwas anders dar: seit Jahren wird vielerorts eifrig und multimedial am Mythos „Subkultur: West-Berlin“ gewerkelt, an Events wie das „Berliner Krankheiten“-Festivals und künstlerische Haltungen wie diejenige der „Genialen Dilletanten“ erinnert, von Bands wie Die tödliche Doris“ oder die Einstürzenden Neubauten geschwärmt. West-Berlin in den Achtzigern, das war, bis zum Mauerfall, so sagt man, Absturz pur im Schatten der Mauer, Kreativität bei Billigmieten, nihilistische Komplettverweigerung, Hausbesetzer- und Instandbesetzer-Szene, Mai-Krawalle und eine Prise Glamour, wenn David Bowie, Iggy Pop oder Nick Cave für ein paar Jahre Schönberg oder Kreuzberg mit ihrer Anwesenheit beglückten.
Es ist nun nicht so, dass einem zu diesen Erzählungen bislang die Bilder fehlten – die Szene hat sich stets mit der Kamera dokumentiert, das Fernsehen ist den Neubauten gerne in deren Probenräume in Autobahnbrücken-Katakomben gefolgt. Trotzdem ist man angesichts des Materialreichtums, den die Filmemacher Klaus Maeck, Jörg A. Hoppe und Heiko Lange aus den Archiven gezaubert und zu einer subjektiv gefärbten „Erzählung“ montiert haben, angenehm überrascht. „B-Movie“ greift dabei auf fiktionales wie auch dokumentarisches Material aus vielerlei Quellen zurück, darunter auf Bilder und Töne von u.a. Jörg Buttgereit, Manfred Jelinski, Carl Schenkel („Kalt wie Eis“), Uli M. Schueppel, Peter Sempel, Christoph Dreher, Wieland Speck („Westler“), Christel Buschmann („Comeback“), Rolf S. Wolkenstein, Wolfgang Büld, Cynthia Beatt („Cycling the Frame“), Heiner Mühlenbrock, Die tödliche Doris, Hannes Rossacher und Eckart Lottmann. Trotz seiner fiktionalen Anteile liefert „B-Movie“ gewissermaßen eine ergänzende bis alternative Sicht auf die Dinge, von denen auch Oskar Roehlers aktueller Spielfilm „Tod den Hippies! Es lebe der Punk!“ erzählt – ein äußerst reizvoller Resonanzraum zweier Filme.
Clever auch die Idee der Macher von „B-Movie“, die Geschichte der Westberliner Szene gewissermaßen von Außen erzählen zu lassen. Der Brite Mark Reeder kam aus Manchester nach West-Berlin, interessiert am elektronischen Kraut-Rock á la Tangerine Dream und traf auf eine Szene, in der Punk die ersten Wirkungen zeitigte. Reeder, ein umtriebiger Uniform-Fetischist, der im „Sounds“-Artikel als „eines der wenigen Berliner Originale“ – den Hitlergruß zeigend – vorkommt, fungiert hier als eigenwilliger Erzähler, bei dem nie ganz klar ist, wo Pathos in Ironie umschlägt. Der Grundton ist unmissverständlich: „Es gab keine Leidenschaft, die West-Berlin nicht befriedigte. Die Stadt erfüllte dir jeden Wunsch: Party, Drogen, Sex, Musik – einfach alles und immer exzessiv.“ Und obwohl Reeder das beliebte Sixties-Bonmot, dass, wer sich erinnern könne, nicht dabei gewesen sei, auf die Achtziger ummünzt, tauchen im Verlauf des Films dann doch die üblichen Verdächtigen aus dem Nebel der Berliner Nächte vor der Kamera auf: Malaria, Gudrun Gut, Martin Kippenberger, Blixa Bargeld, Inga Humpe, Der wahre Heino, FM Einheit, Christiane F., Jörg Buttgereit, Die Ärzte, Nena, Westbam, Dr. Motte. Gewisse Unschärfen in der subjektiven Erinnerung sind wohl unvermeidlich. In West-Berlin mag die Band Ideal Avantgarde gewesen sein; in West-Deutschland war sie bereits Indiz für kommerziellen Ausverkauf. Die DDR gilt Reeder als „Disneyland für Depressive“, während Bargeld vor laufender Kamera ausführt, dass er keine Staatsgrenze überschreiten muss, um auf »die andere Seite« zu gelangen.
Nach ein paar Jahren Exzess setzt die Katerstimmung ein: Bands professionalisieren sich oder lösen sich auf, legendäre Trefforte wie das „SO36“ oder das „Risiko“ schließen, der Underground verliert sich im Drogensumpf, zudem entdeckt die große Politik wieder die symbolische Strahlkraft der Frontstadt. Die Zeit der Geschichtsstille nähert sich ab Mitte der Achtziger ihrem Ende. Reeder findet dafür die prägnante Formel: „West-Berlin, das seiner Zeit so weit voraus war, wurde von seiner Geschichte eingeholt.“ Doch die Erschöpfung der Szene währt nur kurz; ein Generationswechsel steht an. Reeder, der einst die legendäre Band Joy Division für ein Konzert ins Kant-Kino buchte, erlebt Techno als die Fortsetzung des Punk mit elektronischen Mitteln und wird selbst zeitweise ein Trance-Label namens „MFS“ betreiben. Der Techno-Underground um 1990 mündete rasch in die kommerzielle „Love Parade“, die Berlin zu einer Attraktion des „Easy Jet“-Tourismus machte. Kein Happy end? Doch, Reeder liefert ein ganz persönliches Happy end nach, mit freundlicher Unterstützung von Jörg Buttgereit.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in: filmdienst
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diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
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B-Movie: Lust & Sound in West-Berlin
1979-1989
Deutschland 2015 – 92 Min. – Start(D): 21.05.2015 – FSK: ab 16 Jahre – Regie: Jörg A. Hoppe, Heiko Lange, Klaus Maeck – Drehbuch: Jörg A. Hoppe, Heiko Lange, Klaus Maeck, Mark Reeder – Produktion: Jörg A. Hoppe, Heiko Lange, Klaus Maeck, Christoph Post, Alexander von Sturmfeder – Schnitt: Alexander von Sturmfeder – Darsteller: Blixa Bargeld, Gudrun Gut, Annette Humpe, Mark Reeder
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