zur startseite
zum archiv
Blood
Tea and Red String
Eine
vollkommen handgemachte Welt
Die Kunst der Regisseurin Christiane
Cegavske hängt nicht am seidenen, sondern am roten Faden.
Dreizehn Jahre lang hat Christiane Cegavske
an ihrem Film "Blood Tea and Red String" (2006) gesessen. Das ist
kein Wunder, denn die Welt, die sie darin erfindet, ist handgemacht. Als unendlich
mühselig hat man sich den Schaffensprozess vorzustellen, denn es handelt
sich um einen ganz und gar ohne digitale Hilfe zustande gebrachten Puppen-Stop-Motion-Film.
Das heißt: Bild für Bild ist jede Bewegung der Figuren und Dinge,
die man zu sehen bekommt, von Hand umgesetzt, sklavisch unterwirft die Künstlerin
das, was vor der Kamera dann zu sehen ist, den Gesetzen des Films, die da lauten:
aus den Haltungsdifferenzen der Dinge wird in 24 Bildern pro Sekunde die Illusion
der Bewegung.
Eigen, sehr eigen ist die Welt der Christiane
Cegavske. Ihre Hauptfiguren sind weiße Mäuse in aristokratisch anmutenden
Gewändern und unter einer Eiche lebende Wesen, die nach natürlichem
Maß Monster wären: braune Wolle am Kopf, davor einen Schnabel, aus
dem sie fiepen, keiner auf Erden bekannten Gattung allein zugehörig. Aber
zärtlich gehen sie mit ihren beiden Sonnenblumen um, und Blockflöte
spielen sie auch. Die Mäuse geben bei den freundlichen Monstern eine Puppe
in Auftrag. Als die fertig geschneidert ist – inklusive Ei, das dem Körper
Volumen gibt, aber später zum Überraschungsei wird -, hängen
sie sie an ihre Eiche. Der rote Faden, den der Filmtitel verspricht, verwenden
sie zum Zusammennähen, das verfolgt der Film mit beunruhigender Faszination
für jeden einzelnen Stich, sehr genau. Rote Fäden gibt es auch sonst
fast überall in dieser Welt, als Metapher für den geradlinigen Gang
der Geschichte taugen sie aber ganz sicher nicht.
Die Mäuse stehlen die Puppe vom Baum,
was rechtens ist, schließlich haben sie für ihre Herstellung bezahlt.
Sie nehmen sie mit in der Kutsche – dies ist durch und durch eine Märchenwelt
– auf ihr Schloss, wo sie mit ihr tanzen und sie beim Kartenspiel zusehen lassen,
während sie selbst den vom Titel ebenfalls versprochenen Bluttee trinken.
Die Woll-Schnabel-Wesen von unter der Eiche machen sich unterdes auf die Suche
nach der abhanden gekommenen Puppe. Cegavske macht daraus eine wundersame Queste,
also Heldenreise, durch ihr selbst gebasteltes Land. In einem Garten schlucken
die Suchenden Pillen, machen eine Drogenerfahrung und der Film wird für
kurze Zeit auf ganz charmant zurückgenommene Weise psychedelisch.
Es ist eine kleine Odyssee, die sie da
machen. Ein Frosch grillt grüne Maden über einem Feuer, das schön
künstlich aus rotem Papier züngelt. Auch das Wasser ist sehr schön,
wie bei der Augsburger Puppenkiste aus Folie gemacht. An einer so eleganten
wie sinistren schwarzen Spinne kommt die Suchdelegation vorbei. Sie sitzt in
einem Netz aus roten Fäden, mit denen sie auch ihre Opfer verschnürt.
Später schlüpft etwas aus dem Ei in der Puppe und fliegt davon.
Gesprochen wird nicht in diesem verwunschenen
Film, kein einziges Wort. Und noch die Blockflötenmusik hat dunkle Untertöne.
Zwar lässt sich bei alldem der Einfluss Jan Svankmajers, des düstren
Animationsmeisters aus Prag ("Alice"), nicht ganz leugnen; sehr eigen
ist das, was Christiane Segavske hier geschaffen hat, aber doch. Nicht nur der
Mischung des Schönen und Dunklen und ganz Reizenden wegen, sondern auch,
weil die künstlich belebte, vom für die Stop-Motion typischen Lichtflirren
durchwirkte Welt vom ersten Moment an in ihrer ganz speziellen Märchenlogik
verbleibt. Eine zauberisch bedrohliche Stimmung liegt über den Dingen und
verdunkelt Bilder und Klänge und bietet reichlich Stoff für die verführerischsten
Alpträume.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der: taz
Blood
Tea and Red String
USA
2006 – 71 Minuten
Regie:
Christiane Cegavske
Drehbuch:
Christiane Cegavske
Produktion:
Christiane Cegavske
Musik:
Mark Growden
Schnitt:
Christiane Cegavske
DVD-Angaben:
Vertrieb:
Cinema Surreal
Bild:
1,33:1, 4:3
Sprache(n):
Audiokommentar Englisch, Instrumental (DD 2.0)
Untertitel:
Deutsch
Altersfreigabe:
ab 6 Jahren
Spieldauer:
71 Minuten
Extras:
Trailer, Audiokommentar, Miniaturgemälde, Produktionsfotos, Fotogalerie
Charakter- und Plotentwicklung, Kurzfilme: „Blood And Sunflowers“ und „The Doll
Maker“, b-ware! Trailershow
Deutsche
Untertitel gibt es für den Audiokommentar des Hauptfilmes und der Bildergalerien.
Ab
rund 25 Euro im Handel erhältlich
Verleih
seit: 12.12.2008
Verkauf
seit: 18.12.2008
zur startseite
zum archiv