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Bis
später, Max!
Dreimal fast derselbe alte Mann als Don
Juan: Das ist "Bis später, Max!", Jan Schüttes Verfilmung
dreier Kurzgeschichten von Isaac Bashevis Singer.
Drei Geschichten, drei Figuren und die
Wand, die die eine von den anderen trennt, ist
hier wie da dünn. Drei alte Männer, alle gespielt von Otto Tausig,
Jahrgang 1922. Max Kohn ist die Rahmenfigur, ein erfolgreicher Schriftsteller,
wenngleich sein Publikum, das sieht man bei zwei Auftritten, tendenziell eher
grauhaarig ist. Simon, die erste der von Max Kohn erzählten Figuren, reist
nach Miami und wird mit dem Tod konfrontiert. Harry, die zweite, hat ein Rendezvous
mit einer Frau und die bringt sich dann um.
Der Tod ist präsent auf seltsame
Weise in diesem Film. Die Menschen sterben wie die Fliegen um Max/Simon/Harry
herum. Den aber kümmert es kaum. Auch den Film kümmert es, denkt man,
seltsam wenig. Er schiebt die Todesfälle ins hors cadre und macht immer
nur weiter mit seiner mal leicht heranbrausend heiteren, mal leise melancholischen
Streichermusik, mit seinen elegant ins Dunkle abblendenden Bildern, mit seinen
Geschichten von alten Männern, denen Frauen in Betten begegnen, auf erfreuliche
und unerfreuliche Weise. Die erfreuliche Weise ist jene, auf die eine Ex-Studentin,
von Barbara Hershey gespielt, den alten Mann in ihr Appartement und im Appartement
ins Bett bittet. Diese wäre, der Logik des Films folgend, kein Traum, sondern
Wirklichkeit. Man wird aber, im guten wie im bösen, zugestehen müssen,
dass "Bis später, Max!" stimmungsmalerisch an der Unterminierung
dieser logischen Eindeutigkeit arbeitet.
Max Kohn ist besessen von Sex. Jan Schütte
erzählt in "Bis später, Max" die zugrunde liegenden Geschichten
von Isaac Bashevis Singer so, als kreuzten sich Woody Allen und Philip Roth
darin, aber beide mit gezogenem Zahn. Gerade das erweist sich als hoch problematisch.
Denn dieser wechselweise als Ausgeburt seiner eigenen Wunsch- und Alpträume
daherkommende, leicht verwirrte alte Mann ist monoman, ja, er ist egozentrisch
bis zur Maßlosigkeit. Das Monströse dieser Figur jedoch kehrt Schütte
einfach unter den Teppich. Er lässt Max Kohn und seine Fantasievariationen
einen harmlosen alten Mann sein, den die Prostata drückt und das Weibliche
lockt bzw., in einer der Variationen, auch bedroht: In der Film-Version von
Singers Kurzgeschichte "Alone" sind die Vorzeichen des Don-Juanismus
umgekehrt: Der Protagonist Simon ist ein nach Florida gereister älterer
Herr, der sich einer lustigen Witwe sowie einer sexlüsternen Reinemachefrau
im Motel zu erwehren hat.
Zuerst entstanden, nämlich als Kurzfilm
im Jahr 2001, ist die Verfilmung von "Old Love", die Schütte
nun einigermaßen nahtlos in seinen Langfilm integriert. Anders als in
den anderen Episoden ist hier Singers/Tausigs Erzählerstimme fast durchweg
zu hören, was allerdings deutlich macht, dass in der Sprache von Singer
eine andere Musik drin ist als in den gemütlich dahinzockelnden Bildern
dieses Films. Wo Singer trocken ist, ist Schütte warm und weich. Man geht
durch diesen Film wie durch Nebel. Die Konturen verschwimmen und irgendwo spielt
ziemlich aufdringlich Streichermusik.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist zuerst erschienen
am 8.4.2009 in: www.perlentaucher.de
Bis
später, Max!
Deutschland
/ Österreich / USA 2007 – Originaltitel: Love Comes Lately – Regie: Jan
Schütte – Darsteller: Otto Tausig, Rhea Perlman, Barbara Hershey, Tovah
Feldshuh, Elisabeth Peña, Caroline Aaron, Olivia Thirlby – FSK: ab 12
– Länge: 85 min. – Start: 9.4.2009
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