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Bibi und Tina 3: Mädchen gegen Jungs



Tochter gegen Vater

Da bibit sie also wieder, unsere Bibi, gemeinsam mit der teeniegen Tina, um unsere Jugend zu erfreuen, unsere desorientierte Jugend, verortbar zwischen Geocache (2015, zu Dreharbeitenzeit noch vor Pokémon Go) und Dschungelcamp und angeblich entweder One Direction und Schminken. Das brüllen (jaja man nennt das hier rappen …) jedenfalls die Jungens über die Mädchen, die, angeblich auf einmal alle gegeneinander (oder besser Mädchen gegen Jungs, denn die brüllen zurück) sein sollen, auch was, über dessen Ursache der Film uns nichts erklärt. Ein künstlich herbeigeführter Konflikt kann nur einen künstlich herbeigeführten Film nach sich ziehen.

Ging es in den erfreulicheren ersten beiden Teilen ("Bibi und Tina 1" und "Bibi und Tina 2") noch um so klar definierte themes wie: Pferd trifft Mädchen oder Mädchen trifft Junge, oder partiell um die (die in quasi allen Kinderfilmen der letzten zehn Jahre unentbehrliche) "Der Alte Fritz"-Darstellerin Katharina Thalbach (erster Preis für "Mützen, die ums Weggelassen werden betteln" (Max Goldt)), so kommt selbige letztere auch diesmal vor, aber auch sie wird weggelassen in diesem Stück, besser Stückwerk, das sich so was von gar nicht mehr einlassen mag auf eines seiner overloads an themes, sodass man geneigt ist, wegzugucken vor lauter theme-Stückelei. Jedenfalls der Vater, die Tochter hingegen kiekt hin! Handlung ist diesmal nicht mehr auffindbar, außer dass man gelbe Sterne zu sammeln hat á la "Ich bin ein Star, holt mich hier raus-Sternen", die ja eigentlich keine Kinder unter 12 kennen dürfen sollten, aber diese Bibi und Tina sind auch schon lange keine 12 mehr.

Die Darstellerinnen Lina Larissa Strahl (Bibi) und Lisa-Marie Koroll (Tina) werden beide im Dezember 2016 komplette 19 Jahre alt sein und Regisseur Detlev Buck ist mit seinen jungen 54 Jahren inzwischen so reif, dass er dem minderjährigen Publikum schöne alte Hippie-Witze erzählen kann, die das garantiert nicht versteht, nämlich dass man zum Beispiel beginnt, überall Affen zu erblicken, wenn man von komischen Pilzen (aus deutschen Walden) gegessen hat. Ganz davon ab, dass die Animation dieser Animals, äh, dieser Affen genauso wie der initiale Ritt Bibis auf dem Besen optisch unter aller Kanone ist, quasi jenseits von Pan Tau (kennt heute auch kein Teenieschwein mehr), genauso deplatziert und jugendlich empathiemangelnd ist die Präsentation und Parodie eines aus den Vorgängerfilmen überlebt habenden Kakmann (???, muss denn solch Name wirklich sein, als pädagogisches Element? Nanunanunanu!!), der sowas von völlig auf dem Ausstieg-Öko-Buddha-Trip dahinschwebt, dass sich das Siebziger-Jahre-Fäustchen des Siebziger-Jahre-Insiders Buck herzlich in sich selbst hineinlachen mag, die Jugend von heute aber dabei sowas von nicht getouched ist, dass man würde sagen: Zielgruppe verfehlt, weil Zielgruppe ist Teenie und aus 2016 und nicht 1973. Aber der Zielgruppe ists egal.

Zu allem hinzukommt die Dominanz des Klanges, sprich der Wortmelodie, sings: Des Songs, also des gesungenen Worts, "immer dann, wenn die Gefühle zu groß werden für die Handlung" (Detlev Buck), also dauernd. Muss ja auch, denn heute verkaufst du ohne "Emotionen" keine Tüte Pommes, also muss, wie auch in den beiden Bibi und Tina-Vorgängern, wieder u.a. Emotio-Spezialist Komponist Peter ("bald hab ich auch ne Platte") Plate ran, welcher seine Feelings früher immer im Unterhemd oder auch gleich hemdlos (Wikipedia-Fotos) im Duo Rosenstolz für zerbrechende und dabei urst ambivalente oder dominante oder submissive Herzen gesorgt hatte.

Ganz ehrlich meine Meinung: Die Songs sind der Gewinner und das Wichtigste am Film (seien sie auch sonst nicht so ganz, was der Vater hört). Ich glaube, die Tochter meint mit ihm, war doch die BuT3-CD nach dem Kinostart längere Zeit Dauerläufer im Tochter-CD-Player.

Was man also sieht, ist so ein wirklich quietschbunter Film, der die Augen bereits nach Minuten mit seinen Bonbonfarben verätzt, (jedenfalls die von Babba, für die Tochter ists Augenschmaus und Entertainment) – und zugleich eine für ältere Althippies herrlich verquere Gelegenheit, Humor – gemeint sei hier damit: 70 Jahre alte Witze – neu und witzig einzuflechten, dabei außer acht lassend, dass man eigentlich die Jugend von heute unterhalten wollte. Die Tochter juckts nicht, sie lacht nicht, aber sie guckt trotzdem interessiert zu.

Das Problem vielleicht wiederum mit der Jugend: diese ist hier beispielsweise noch 10, ist teilweise leider bereit dazu, alles gut zu finden, zu glauben und akzeptieren, was die Power hat, den Weg ins Kino oder in die Charts zu finden. Deshalb verifiziert Jugend (jedenfalls in diesem Fall) zum Teil auch einfach das ihr Angebotene, und indem sie es glaubt, wird es Teil ihres eigenen Selbstbildes, Weltbildes, auch wenn es nur Gerüchte sind, Spekulationen aus den Köpfen alter Leute: Die Jugend hält für wahr, was das Kino zeigt, und sie übernimmt dessen Phänomenologie für sich. Die Kraft des Mediums ist realer als die Kraft der eigenen Wirklichkeit. Aber welche ist das schon noch heute, wenn nicht eine medial dominierte?

Und halt, hier sollten wir alle in uns gehen und uns fragen: Haben wir Eltern und Regisseure und überhaupt aus irgend etwas Erwachsene und überhaupt wir Filmkritiker unsere Hausaufgaben gemacht? Aber zuerst die Tochter: Hast du deine Hausaufgaben gemacht? Oder mal wieder zuviel gebibit und geteeniet? – Ach hör doch auf, Papa! – Jaja, ich labere schon wieder zu viel.

Benotung des Films: (4/10) (Papa)

Benotung des Films: (8/10) (Tochter)

 

Lilly Thomas, Andreas Thomas

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in der: www.filmgazette.de

 

 

Bibi und Tina 3: Mädchen gegen Jungs
Deutschland 2016 – 110 min. – Regie: Detlev Buck – Drehbuch: Detlev Buck, Bettina Börgerding – Produktion: Detlev Buck, Christoph Daniel, Marc Schmidheiny, Sonja Schmitt, Kirstin Wille – Kamera: Marc Achenbach – Schnitt: Dirk Grau – Musik: Daniel Faust, Bowen Liu, Peter Plate, Ulf Leo Sommer – Verleih: DCM – FSK: ohne Altersbeschränkung – Besetzung: Kostja Ullmann, Charly Hübner, Katharina Thalbach, Philipp Laude, Alissa Wilms, Max von der Groeben, Hinnerk Schönemann, Lina Larissa Strahl, Lisa-Marie Koroll, Michael Maertens, Rainer Reiners – DVD-Start (D): 09.09.2016 – Blu-ray-Start (D): 09.09.2016

 

Details zur DVD / Blu-ray:
Bild: 1,78:1 (anamorph / 16:9) – Sprache: Deutsch (DD 5.1) – Untertitel: Deutsch – FSK: ohne Altersbeschränkung – Verleih: DCM

 

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