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Beats, Rhymes & Life: The Travels of a Tribe Called Quest
Nostalgisch stimmen und desillusionieren
– diese beiden Gemütszustände gleichzeitig zu evozieren, ein ungewöhnliches
Kunststück, gelingt dieser über weite Strecken famosen Musikdokumentation
von Michael Rapaport. Erzählt wird die Geschichte der New Yorker Hip Hop-Crew
A Tribe Called Quest, die Ende der 1980er-Jahre als zweite oder dritte Generation
HipHop mit cleveren Texten und vor allem coolen, sich quer durch die Pop-Geschichte
arbeitenden Samples zur Kunstform emanzipierten. Mit seinen drei Alben „People‘s
Instinctive Travels And The Paths Of Rhythm“ (1990), „The Low End Theory“ (1991)
und „Midnight Marauders“ (1993) setzte das Quartett Maßstäbe in Sachen
eines intelligenten und positiven Hip Hop und sich selbst an die Spitze des
seinerzeit sehr einflussreichen „Native Tongue“-Musikerkollektivs, zu dem auch
De La Soul, die Jungle Brothers, Queen Latifah oder Monie Love zählten.
Zwar vergingen zwischen der Gründung der Crew und der Produktion des Debütalbums
ein paar Jahre, aber in der New Yorker Szene genoss A Tribe Called Quest schon
früh einen legendären Ruf. Regisseur Rapaport, ein erklärter
Fan der Crew, nutzt die Gelegenheit einer Re-Union-Tour 2008, um die einzelnen
Mitglieder des Quartetts zu befragen und auch Statements mit allerlei Szene-Prominenz
von Mos Def über Pharrell Williams bis zu den Beastie Boys zu sammeln.
Ja, er holt sogar Legenden wie DJ Red Alert oder Monie Love vor die Kamera.
2008 liegt die Veröffentlichung des letzten regulären Albums bereits
ein Jahrzehnt zurück – und selbst dieses Album wurde intern schon als Ausdruck
einer tiefen Krise begriffen. So äußert sich MC Phife Dawg verbittert,
„The Love Movement“ hätte besser „The Last Movement“ geheißen. Was
folgt, ist eine mitreißende Feier des rasanten Aufstiegs der Band, die
auf einer Woge von Kreativität und jugendlichem Ungestüm surfte, weil
die unterschiedlichen Temperamente der Musiker sich bestens zu ergänzen
schienen.
Phife ist streetwise, Q-Tip ein geschmackssicherer Perfektionist, Ali Shaheed Muhammad ruht in sich selbst und Jarobi ist die spirituelle Seele der Crew. Und A Tribe Called Quest sind nicht nur umwerfend kreativ, sondern sie haben auch erstaunlichen Erfolg. Wer sich je für Hip Hop interessiert hat, kommt an den frühen Hits „I Left My Wallet In El Segundo“, „Bonita Applebum“ und „Can I Kick it?“ nicht vorbei, aber auch die Jazz-Samples auf „The Low End Theory“ setzten Maßstäbe. Unvergleichlich dann – und zugleich ein Menetekel – das Sample-Gewitter und das All-Star-Aufgebot von „Midnight Marauders“, wo es in der Szene fast schon Panik verbreitete, wenn man auf dem Album nicht dabei war. Hier – auf der Höhe des Ruhms – wechselt der Film entschieden die Tonart: Bei Phife wird eine lebensbedrohliche Diabetes attestiert, worauf zunächst weder Phife noch die anderen Bandmitglieder adäquat zu reagieren wissen. Q-Tips Ehrgeiz sucht sich andere Kanäle; er arbeitet verstärkt als Produzent.
Schon die akribische Produktion von „Midnight Marauders“ führte
die Crew an ihre Grenze; man konnte das Tempo nicht mehr gemeinsam halten. Die
Gräben, die sich jetzt auftun, führen zu Verletzungen, die kaum zu
heilen sind. Q-Tip gibt sich cool als selbstbewusster, adretter Kontrollfreak,
während Phife, ein kleiner, empfindlicher und sehr kranker Mann, sich in
mehrfacher Hinsicht ins zweite Glied geschoben sieht. Zudem verliert die Musik
in den unterschiedlichen Biografien in unterschiedlicher Stärke an Bedeutung:
Mancher hat mehrere Talente, mancher ganz andere Sorgen. In den Passagen, in
denen die internen Konflikte vor laufender Kamera im cinéma verité-Stil
eskalieren, wird der Film desillusionierend und tief melancholisch. Es verwundert
jedenfalls nicht, dass drei der vier Mitglieder von ATCQ nicht zur Premiere
des Films beim Sundance Festival erschienen und auch sonst gegen den fertigen
Film in den Medien Stellung bezogen, womöglich, weil er so viele unangenehme
Wahrheiten transportiert, obwohl er deutlich aus einer Fan-Perspektive gedreht
ist. Vielleicht wurde Rapaport bei den Dreharbeiten tatsächlich von der
Schärfe der Konfrontationen überrascht, aber es ehrt ihn, dieses Material
nicht geschnitten zu haben. Schließlich endet der Film mit eine versöhnlichen
Geste: als Phife zur Nierentransplantation ins Krankenhaus geht, bekommt er
eine SMS von Q-Tip. Wie sehr ihn diese Geste freut, zeigt auch, wie tief ihn
der Bruch mit seinem Freund aus Kindertagen verletzt hat.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Beats, Rhymes & Life: The Travels of a Tribe called Quest
USA 2011 – Regie: Michael Rapaport – Darsteller: (Mitwirkende) Q-Tip, Phife
Dawg, Ali Shaheed Muhammad, Jarobi White, Beastie Boys, Kanye West, Pharrell,
Mos Def, Santigold, Monie Love, Pete Rock – Fassung: O.m.d.U. – Länge:
98 min. – Start: 7.6.2012
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