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Banksy – Exit through the Gift Shop

Total kommensurabel

 

Banksy was here. Na, vielleicht auch nicht. Wer da ist, vor Start des Films, ist die Berlinale-Pressechefin Frauke Greiner. Sie kündigt eine kurze Filmbotschaft des englischen Künstlers an. Ton ab, Bild ab. Er sitzt da, mit Kapuzenjacke und schwarzem Gesicht und spricht mit technisch verzerrter Stimme zu uns. Macht Scherze und teilt mit, dass der nun folgende Film erstens durch und durch die Wahrheit erzählt und zweitens ganz gut sei, jedenfalls, wenn man die Erwartungen niedrig hält.

 

Was den ersten Punkt angeht: schwer zu sagen. Möglicherweise ist die Unklarheit zwischen Mocku– und Documentary ein bisschen die Pointe des Films. "Möglicherweise" deshalb, weil man an keiner Stelle den Eindruck gewinnt, dass "Exit Through the Gift Shop" da irgendwas im Ernst oder im Scherz wirklich zu Ende denkt. Sicher ist aber dies: Es ist keine Doku über den Künstler, der sich Banksy nennt und der, wie Thomas Pynchon, Peter Licht und, äh, Airen prominent gesichtslos ist und auch bleiben will. Vielmehr ist es eine Doku über erstens die Street-Art-Szene im Allgemeinen, und dies wiederum vor allem anhand einer Figur namens Thierry Guetta. Auch als Mr. Brainwash bekannt, den Eingeweihten zumindest.

 

Guetta wird im Film vorgestellt als etwas durchgeknallter Franzose, der eine Obsession für die Street Art und ihre Künstler hat. Er filmt sie bei der in der nächtlichen Grauzone zwischen Verbrechen und Kunst angesiedelten Arbeit an Wänden, auf Dächern und Brücken. Die großen Namen der Szene gewinnen Vertrauen zu ihm, irgendwann dann auch Banksy. Der taucht auf – Kapuze, Schwärzung, verzerrte Stimme -, aber eher am Rand, neben dem viel präsenteren talking head Thierry Guetta als gelegentlich im Bild sitzende talking Dunkelgestalt. Allerdings auch in Aufnahmen von Guetta, die ihn, Banksy, auf frischer Tat zeigen: Wenn er in Disneyland einen Guantanamo-Aufblaspuppe anbringt zum Beispiel.

 

Außerdem sieht man: Die große Banksy-Ausstellung mit angemaltem Elefanten. Und Künstler, die Banksy sammeln. (Der Film ist in manchen Szenen von kaum selbstironisch gebrochener Eitelkeit.) Und dann wieder Guetta, Guetta, Guetta. Man weiß nicht, was man von der Art, in der dieser vorgeführt wird, halten soll. Weil man ja auch nicht weiß, wie real diese Figur ist. So wie der Film die Geschichte erzählt, ist der Film über die Street-Art-Kunst, den Guetta aus seinen Tonnen von Material zusammenstellt, Mist. Die Ausschnitte, die man dann vorgeführt bekommt, sehen freilich allemal interessanter aus als die 08/15-Doku, die "Exit Through the Gift Shop" stilistisch geworden ist.

 

Banksy schickt Guetta zurück nach L.A., weil er, Banksy, aus dessen Filmmaterial seinen – also diesen – Film schneiden will. Er rät ihm, Guetta, doch selbst Künstler zu werden. Von Banksy gesagt, von Guetta getan. Eine große Ausstellung wird aus dem Boden gestampft, Guetta ist fleißig und verunstaltet, so viel man sieht, hunderte Gemälde-Klassiker des Abendlands. Ein mehr oder minder lobendes Banksy-Zitat hängt er als Plakat-PR an die Außenwand. Mr. Brainwash nennt er sich und weil er im Prinzip Banksy-Kunst macht, liegt der Verdacht nahe, dass Banksy selbst den etwas irren Franzosen als Instrument einer weiteren eigenen Kunstaktion nutzt.

 

Nun ist’s ja kein Wunder, dass der Kunstmarkt einen Kerl wie Banksy zum Fressen gern hat. Was er tut, ist frech, aber total kommensurabel. Lustig dabei, nicht unintelligent. Spaßkunst für Spaßgesellschaften, die auf nichts so sehr abfahren wie einen freundlichen Hofnarren, der harmlosen Scherz mit ihrem Begriff von der Kunst treibt. In Wahrheit folgt aus allem, was Banksy tut, eher wenig. Und auch dieser Film ist in seinen Ausweichbewegungen nur bedingt interessant. Gewiss, er malt dem Dokumentarfilmgenre einen lustigen Schnurrbart ins Gesicht. Sagen wir so: "Exit Through the Gift Shop" ist ganz gut, wenn man die Erwartungen niedrig hält. Im Wettbewerb der Berlinale hat er nichts verloren und ist dabei in bester Gesellschaft.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen anlässlich der Berlinale am 15.02.2010im: www.perlentaucher.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Banksy – Exit through the Gift Shop

USA / Großbritannien 2010 – Originaltitel: Exit Through the Gift Shop – Regie: Banksy – Mitwirkende: Banksy, Thierry Guetta aka Mister Brainwash, Debora Guetta, Rhys Ifans (als Erzähler) – FSK: ab 6 – Fassung: O.m.d.U. – Länge: 86 min. – Start: 21.10.2010

 

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