zur startseite

zum archiv

zu den essays

Banksy – Exit through the Gift Shop

In Krisenzeiten müssten die Apologeten der globalen Finanzmärkte eigentlich sehnsüchtig auf den Kunstbetrieb blicken. Der Kunstmarkt ist verhältnismäßig rezessionsresistent, die Preise der großen Namen bleiben stabil und die Marktmechanismen sind flexibel genug, selbst kleinere Störungen im System problemlos zu integrieren. Natürlich nur unter der Bedingung, dass man ein Preisschild draufkleben kann. Die Dokumentation „Exit through the Gift Shop“ des englischen Streetart-Künstlers Banksy macht sich unverhohlen über die Vorhersehbarkeit des Kunstbetriebs (auch darin unterscheidet er sich maßgeblich von den Geldmärkten) lustig: Alles, was es zum Erfolg braucht, sind große Namen, nützliche Idioten in den Medien und ein paar reiche Spinner, denen man noch den letzten Quatsch als nächstes großes Ding verkaufen kann.

Banksy begibt sich mit „Exit through the Gift Shop“ allerdings auf dünnes Eis. Sein Film ist genauso ein Kommentar auf die neue Spektakel-Kunst, die sich auf den großen Messen in London, Basel und Florida regelmäßig selbst feiert, wie auch auf sich selbst. Banksy stellt gewissermaßen die Antithese zur institutionalisierten Kunst dar, versteht es gleichzeitig aber, seinen Namen geschickt zu vermarkten. Nur dass seine Arbeiten nicht an weißen Wänden hängen, sondern vornehmlich im öffentlichen Raum zu finden sind. Zu seinen bekanntesten Aktionen gehört das Einschmuggeln eines Bildes in die Gemäldegalerie der Londoner Tate, wo es eine Woche lang unbemerkt zwischen den Meistern der britischen Landschaftsmalerei hing. Bei Banksy wurde die romantische Landschaft jedoch zum Ort eines Verbrechens. In Disneyland hängte er vor einigen Jahren eine Guantanamo-Häftlingen nachempfundene Puppe in den Eingangsbereich der Achterbahn. 

Auch „Exit through the Giftshop“ sieht zunächst wie ein Witz aus, doch lässt Banksy offen, auf wessen Kosten dieser letztlich geht. Wer ein Portrait des notorisch öffentlichkeitsscheuen Guerilla-Künstlers erwartet, wird enttäuscht. Banksy taucht selbst nur kurz im Film auf, vermummt und mit verzerrter Stimme. Der britische Schauspieler Rhys Ifans übernimmt den Part des Erzählers. Im Mittelpunkt des Films steht jedoch Thierry Guetta und dessen seltsame Metamorphose vom Modegeschäft-Betreiber und Hobbyfilmer zu Mr. Brainwash, dem Shooting Star der Streetart-Szene.

Guetta begann ursprünglich aus Spaß, die Aktionen seines Cousins und befreundeter Graffiti-Künstler (neben Banksy auch Shepard Fairey, dessen Obama-Porträt “Hope” später den Präsidentschaftswahlkampf zierte) zu dokumentieren, bevor er sich Warhols Diktum, dass jeder Mensch ein Künstler sei, etwas zu sehr zu Herzen nahm. Seine erste Solo-Ausstellung “Life is Beautiful” wurde 2008 zu einem beispiellosen Medienhype, obwohl die Befragten in „Exit through the Gift Shop“ wenig Zweifel daran lassen, dass Guetta als Filmemacher wie als Künstler eher minderbegabt ist. Was man im Film dann von der Ausstellung zu sehen kriegt, ist tatsächlich nicht mehr als eine wilde Zusammenstellung von Readymades, großformatigen Farbklecksereien und verfremdeten Pop-Ikonografien.

Es ist müßig zu spekulieren, ob Mr. Brainwash nur eine weitere, geschickt lancierte Aktion des Künstlers Banksy ist; irgendjemand wird auch an Thierry Guetta ordentlich verdient haben. Wer hier zuletzt lacht, daran besteht jedenfalls kein Zweifel. Bezeichnendermaßen hatte Banksy „Exit through the Giftshop schon im Vorfeld als Pendant zu „Karate Kid“ angekündigt: der Film, der Streetart populär machen würde. Sein Stinkefinger gegen den Kunstbetrieb untermauert den Mythos der Spaßguerilla. Und natürlich kann man am Ausgang auch den neuesten Banksy-Bildband käuflich erwerben.

Andreas Busche

Dieser Text ist zuerst erschienen in: Der Freitag

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Banksy – Exit through the Gift Shop

USA / Großbritannien 2010 – Originaltitel: Exit Through the Gift Shop – Regie: Banksy – Mitwirkende: Banksy, Thierry Guetta aka Mister Brainwash, Debora Guetta, Rhys Ifans (als Erzähler) – FSK: ab 6 – Fassung: O.m.d.U. – Länge: 86 min. – Start: 21.10.2010

 

zur startseite

zum archiv

zu den essays