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Der Baader Meinhof Komplex

Terror

 

Da ist er nun, unübersehbar, überall, "Der Baader-Meinhof-Komplex". Aber was will dieser Film?

 

Wir sehen hoch- und halbberühmte deutsche Schauspielerinnen und Schauspieler (ganz exzellente darunter wie Johanna Wokalek und Martina Gedeck), die so hergerichtet sind, dass sie prominenten deutschen Terroristinnen und Terroristen ähneln: der Film will durch Verdopplung frappieren.

 

Wir sehen ikonische Bilder und Szenen der Vergangenheit – Ohnesorg, Dutschke, Meins -, die werden nachgespielt und nachgestellt wie in jenen Reenactments, in denen Hobbygeschichtsdarsteller sich in die Kleider der Vergangenheit werfen, im falschen Glauben, es sei am Reifrock zu spüren, wie sich’s im Ancien Regime lebte: der Film will durch Reinszenierung Nähe zum Ereigneten evozieren.

 

Wir sehen Politgetümmel mit Steinwurf und Explosionen und Schüsse und Morde auf der Straße, mit allen Mitteln der Handkamera-, Bildausschnitt-, Montage- und Rhythmusinstrumentkunst zu international vorzeigbaren Actionsequenzen zugerichtet: der Film will Tempo machen.

 

Wir sehen Ulrike Meinhof nackt am Strand von Sylt und Gudrun Ensslin nackt in der Wanne und alle miteinander nackt im palästinensischen Ausbildungslager: der Film will Arsch und Titten.

 

Wir sehen, später in Stammheim, die Ensslin und die Meinhof im Zickenkrieg: der Film will die Vorabend-Soap.

 

Außerdem will der Film: nichts auslassen, keinen überfordern, viel Geld einspielen, die Titelblätter erobern; er will zu Anne Will (wo er letzten Sonntag schon war) und den Oscar, den will er auch.

 

Nur denken will er nicht; eine Haltung finden und Bilder, die nicht nur – dumm, aber teuer – nachplappern, was man kennt, das will er nicht. Alles "stimmt", dafür bürgt Stefan Aust, alles sieht echt aus, dafür sorgen die Ausstatter und Rechercheure, und nichts ist wahr, dafür bürgen das Buch und die Inszenierung von Bernd Eichinger und Uli Edel. Sie haben den durchideologisierten Terrorsprech normalisiert, das peinliche Gequatsche von Andreas Baader und das Schwäbisch von Gudrun Ensslin auch. Als wäre das nicht genug Retusche, um dann doch wieder beim Mythos zu landen und bei Terroristen-Ikonen. Ja, man sieht ihr sinnloses Töten, aber weil es aussieht wie im nächsten besten Actionfilm, nimmt man es, schulterzuckend fast, als zum Genre gehörig hin.

 

Eines will – oder kann – der Film nicht sein: Eine vom Heute ausgehende Reflexion auf den Terrorismus und eine Zeit, in der er intelligenten und sensiblen Menschen als gangbare Option erscheinen konnte. Es hätte auch dazugehört zu zeigen, dass vieles daran heute schier unbegreiflich ist und einem in der Tat auch unfreiwillig komisch vorkommen muss (vgl. das Interview http://www.welt.de/kultur/article2479112/Andreas-Baader-redete-ziemlichen-Murks.html in der "Welt"). Sich zu fragen, warum diese von heute aus manchmal lächerlich und oft genug auch einfach nur abstoßend erscheinenden Figuren damals den An- und Vorschein einer beginnenden Weltrevolution beschwören konnten, das und nicht der "Polit-Porno" (Michael Althen in der FAZ), der es nun ist, zielt in den Kern unserer Geschichte mit der RAF.

 

Statt dessen bietet "Der Baader-Meinhof-Komplex" nichts als Ereignisgeschichte auf Fernsehspielniveau. Die Schauspielerinnen und Schauspieler haben sich, wie allenthalben brav nachgebetet wird, in diese Figuren hineingefühlt, aber sie finden für uns nichts heraus. Sie erschöpfen sich – und uns – im Klappern der Dialoge, im Hetzen von Tat zu Tat. Was ihnen die Regie und das Buch verbieten, ist der Bruch mit dem öden Abbildrealismus; ein Bruch, in dem erst sich etwas wie Gedanken und Haltung, kurz gesagt: Reflexion, einstellen könnten. Schon im Wissen des Realismus um seine Grenzen läge ein solcher Bruch. Oder im Wissen darum, dass auch die zum Terror sich Treibenden und zum Terror Getriebenen eine Menge Klischees und Straßenkampfromantik im Kopf hatten. Oder im genauen Rekonstruieren der totgeborenen Sprache, die denen blieb, die das richtige Leben im falschen suchten – es wäre das gerade das Drama der Ulrike Meinhof gewesen.

 

Aber nichts will der Film wissen über sich und die Welt. Er hascht nur nach Bildern, die wir schon kennen, nach Gedanken, die wir schon haben, nach Mitteln, die auf der Straße liegen. Wo er Erklärungen sucht, fällt er selbst – wie schon mit dem Beginn, zu dem Janis Joplin singt – einfach so aufs nächstliegende Klischee. Die Reihung der Geschehnisse wird, mangels irgendeines reflektierenden Zugriffs, zur Kausalitätsbehauptung: Ohnesorg, Dutschke, Bild, ergo RAF. So einfach kann man sich’s machen. Aber weil er es sich so einfach macht, ist "Der Baader-Meinhof-Komplex" fahrlässig und dumm und man kann nur hoffen, dass das Publikum sich für so blöd nicht verkaufen lässt.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen am 24.09.2008 in: www.perlentaucher.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Der Baader Meinhof Komplex

Deutschland 2007 – Regie: Uli Edel – Darsteller: Martina Gedeck, Moritz Bleibtreu, Johanna Wokalek, Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Nadja Uhl, Hannah Herzsprung, Jasmin Tabatabai – Prädikat: besonders wertvoll – FSK: ab 12 – Länge: 150 min. – Start: 25.9.2008 

 

DVD

Laufzeit: 149 Minuten
Bild: 16:9 (1.85:1) anamorph
Ton: DTS-HD 5.1, Hörfilmfassung: Dolby Digital 2.0 Stereo
Sprache: Deutsch:
Untertitel für Hörgeschädigte: Deutsch
FSK 12

Bonusmaterial:
Making of (ca. 28 Min.), Uli Edel (ca. 12,5 Min.), Über Authentizität (ca. 23 Min.),
Die Musik (ca. 11,5 Min.), Die Schauspieler und ihre Rollen (ca. 38 Min.),
Stefan Aust über die RAF und ihre Zeit (ca. 41 Min.),
Bernd Eichinger über die Annäherung an den Film und die 60er und 70er Jahre (ca. 15 Min.),
Bernd Eichinger über die Dramaturgie des Films (ca. 10 Min.), Darsteller-Infos

DVD und Blu-Ray: Start 12.3.2009

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