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Avengers – Age of Ultron


 

Ruhig, Grüner

Nominell befindet sich mit Thor nur eine echte Göttergestalt in den Reihen der Avengers (der Supergroup aus dem Haus Marvel), aber im wesentlichen handeln alle Comics um Iron Man, Captain America, Hulk und Spiderman von einer Apotheose. Joss Whedon, Regisseur der beiden „Avengers“-Verfilmungen, hat das natürlich verstanden, auch wenn der erste Film vor drei Jahren noch einen enormen Aufwand betrieb, um die Solisten aufeinander einzuspielen. „Avengers – Age of Ultron“, der die zweite Phase des „Marvel Cinematic Universe“ (MCU) beschließt, muss sich mit solchen Nebensächlichkeiten nicht mehr aufhalten.

Das Buddy-Thema, das den ersten Avengers-Film aufgrund aufgeblasener Egos und Testosteronüberschusses noch dominierte, macht in der Fortsetzung einem weitaus interessanteren Subplot Platz, der am Kern des Superhelden-Topos rührt: der menschlichen Hybris und dem Selbstverständnis des Superhelden. In der Schlusssequenz umkreist die Kamera in suggestiven Bewegungen eine Skulptur, die dem Laokoon-Figurenensemble nachempfunden ist – die Avengers im Kampf mit ihren Widersachern. Die antike Darstellung höherer Mächte findet nicht nur in der frühen Retromanie der Renaissance Anklang, sondern auch bei einem postmodernen Adepten wie Whedon. Der Erfinder von „Buffy“ und der Wildwest-Weltraumoper „Firefly“ erweist sich mit „Avengers – Age of Ultron“ erneut als ausgefuchster Geschichtenerzähler, der die wuchernde Marvel-Mythologie um einige schillernde Facetten bereichert.

Mit Quicksilver und Scarlet Witch stoßen zwei weitere Figuren aus dem Marvel-Universum zu den Avengers, doch bezugsreicher ist ein anderer Neuzugang im Kader des MCU, der an der moralischen Legitimation des lässigen Destruktionsspektakels kratzt (im Mittelstück des Films wird obligatorisch eine westliche Metropole in Schutt und Asche gelegt).
Der Androide Ultron, Nebenprodukt eines fehlgeschlagenen Experiments vom ‚Iron Man’ Tony Stark und Bruce ‚Hulk’ Banner mit einer evolutionären Form von künstlicher Intelligenz, stellt das De Facto-Regime der Avengers als globale Schutzmacht infrage. Thematisch knüpft „Avengers – The Age of Ultron“ damit an den bisher besten Marvel-Film „Captain America 2“ an, in dem die Geheimdienst-Organisation S.H.I.E.L.D. demontiert wurde. Das neu entstandene Machtvakuum besetzen die von dem außerirdischen Angriff im ersten Film noch reichlich traumatisierten Avengers.

Ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Schutzschild, von Stark und Banner entwickelt, soll die Erde vor zukünftigen Angriffen schützen. Doch das künstliche Bewusstsein Ultron, materialisiert in einer Kampfdrohne von Stark Industries, folgt einer unbestechlichen Maschinenlogik: Der größte Feind des Planeten sind die Menschen. Und gemäß seiner Programmierung trifft er die nötigen Vorkehrungen, um die Erde zu schützen.

Dass sich die Avengers ihren Gegner selbst schaffen, ist ein origineller Twist, der das moralische Dilemma des deutlich düstereren zweiten Films beschreibt. In „Age of Ultron“ zeichnen sich bereits Allianzen ab, die im dritten Captain America-Film in einem Bürgerkriegsszenario eskalieren. Whedon spielt geschickt mit den Standards der Marvel-Kosmologie und verknüpft diese immer wieder mit locker dahingejazzten Interpretationen. Der schönste Einfall ist die zarte Romanze zwischen Mark Ruffalos Hulk und Scarlett Johanssons Black Widow. „Es ist alles gut, Großer“, beruhigt sie den grünen Berserker, nachdem der wieder mal einen Straßenzug platt gemacht hat.

So arbeitet Whedon in „The Age of Ultron“ an der Marvel-Mythologie, die ja tatsächlich den Status einer modernen Heldensaga besitzt. Vielleicht ist es also nur konsequent, die Avengers zu Göttern zu stilisieren. Whedon weiß, das jeder Mythos über einen wahren Kern verfügt. Eine realistische Beschaffenheit – emotionale, ethische, soziale Erfahrungen, die seine Kunstwelten patinieren – ist seit „Buffy“ Markenzeichen seiner fantastischen Wirklichkeitskonstrukte. Er nimmt die fehlbaren Marvel-Helden als Götter ernst, um sie auf menschliches Format zu stutzen. Großes Drama.

Andreas Busche

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: der freitag

 

 

 

Avengers:- Age of Ultron

USA 2015 – 142 Min. – Start(D):23.04.2015 – FSK: ab 12 Jahre – Regie: Joss Whedon – Drehbuch: Jack Kirby, Stan Lee, Joss Whedon – Produktion: Victoria Alonso, Louis D’Esposito, Kevin Feige, Alan Fine, Bruce Jurgens, Jeremy Latcham, Stan Lee – Kamera: Ben Davis – Schnitt: Jeffrey Ford, Lisa Lassek – Musik: Brian Tyler – Darsteller: Scarlett Johansson, Chris Evans, Cobie Smulders, Chris Hemsworth, Elizabeth Olsen, Aaron Taylor-Johnson, Robert Downey Jr., James Spader, Jeremy Renner, Samuel L. Jackson, Mark Ruffalo, Paul Bettany, Thomas Kretschmann, Don Cheadle, Soo-hyun – Verleih: Walt Disney Germany

 

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