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Auf das Leben!


 

Der demonstrativ gut gelaunte Titel der Tragikomödie von Uwe Janson erweist sich als kein gutes Omen. Das überkonstruierte Emotionskino, das auf eine Idee von Artur Brauner zurückgeht und von seiner Tochter Alice Brauner produziert wurde, vermag trotz angetupfter zeitgenössischer Problemlagen keine Sekunde über sich hinauszuweisen. Hannelore Elsner spielt darin eine betagte jüdische Cabaret-Sängerin, die im Alter ihre Mietschulden nicht bezahlen kann und wegen der drohenden Zwangsversteigerung depressiv wird. Ausgerechnet ein junger Möbelpacker in Gestalt von Max Riemelt hellt ihre Stimmung auf, weil er sie an ihren früheren Geliebten erinnert. Trotz des enormen Altersunterschieds stimmt auf Anhieb die Chemie.

Die Rentnerin findet keine Ruhe vor den Traumata, die sie während des Zweiten Weltkriegs erlitten hat. Der Helfer muss mit einer langsam voranschreitenden unheilbaren Krankheit fertig werden. Anstatt in seiner alten Umgebung zu bleiben, hat er sich von seiner Freundin getrennt und ist mittellos nach Berlin geflüchtet. Zu allem Überfluss findet er seine neue Seelenverwandte nach ihrem Umzug mit aufgeschnittenen Pulsadern vor. Sie landet in der Psychiatrie und trifft auf einen Therapeuten, der sie mit zum Singen bringen will. Währenddessen zieht der obdachlose Retter in ihre neue Wohnung ein und erkundet die vielen Erinnerungsstücke, darunter einen Film, der sie als junge, lebenslustige Frau zeigt.

Damit nimmt die Anreihung von Rückblenden und Standardsituationen ihren Lauf. Eine zaghafte Freundschaft bahnt sich zwischen den vom Schicksal gebeutelten Generationen an. Sie entwickelt ungeahnte Energien, um dem jungen Mann aus seinem Tief zu helfen, obwohl sie mit ihrer abweisenden Art nicht gerade liebenswert erscheint und er lange keinerlei Gründe dafür liefert, warum er der Zufallsbekanntschaft so viel Platz in seiner ohnehin komplizierten Situation einräumt.

Als er sie aus der Anstalt entführt, ist trotz der anvisierten Dramatik die Luft endgültig raus. Dabei spielt die Großzügigkeit in dieser Freundschaft durchaus eine Rolle. Sie ist Freiheit und Umweg, an deren Ende erst die Intimität stehen kann. Einen Gang runterzuschalten, traut sich aber das Drehbuch nicht. Es beglückt den Zuschauer mit einer Überdosis Leben, das ohne Ambivalenzen auskommt. Da hilft es auch nicht, der gewohnt risikobereiten Hannelore Elsner im Wechselspiel mit den Hindernissen beim gefällig fotografierten Feiern des jüdischen Lebensgefühls zuzuschauen. Leider nimmt der Film, der nie die Balance zwischen Bild und Sprache, Komik und Reflexion findet, nicht einmal die anvisierte Vergangenheitsbewältigung ernst, die er immer wieder mit vermeintlicher Leichtigkeit zu absolvieren versucht und dabei jeden Ansatz zur Nachdenklichkeit mit Humorsalven neutralisiert. Ein ungleiches Paar geht durchs finstere Tal der eigenen Biografien, wobei man sich wünschte, dass die Macher dem ohne anbiedernde Unterwerfung unters Diktat fernsehkompatibler Quote gefolgt wären.

Alexandra Wach

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in: filmdienst 24/2014

 

 

 

Auf das Leben!
Deutschland 2014 – Produktionsfirma: CCC Filmkunst/MZ-Film/ZDF – Regie: Uwe Janson – Produktion: Alice Brauner, Michael Zechbauer, Caroline von Senden – Buch: Thorsten Wettcke – Kamera: Peter Joachim Krause – Musik: Martin Stock – Schnitt: Boris Gromatzki – Darsteller: Hannelore Elsner (Ruth Weintraub), Max Riemelt (Jonas/Victor), Sharon Brauner (junge Ruth), Aylin Tezel (Emily), Andreas Schmidt (Prof. Werner), Catherine Flemming (Lydia), Markus Maria Profitlich (Hermann), Nikola Kastner (Eva), Georg Marin (Horst), Niklas Kohrt (Piet), Harry Ermer (Pianist), Mathieu Carrière – Erstaufführung/Kinostart(D): 27.11.2014 – Länge: 90 Minuten – FSK: ab 12; f – Verleih: Camino

 

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