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Attack
the Block
Gesteigerte Wendigkeit
Joe Carnish "Attack the Block",
in dem delinquente Jugendliche ihren Sozialbau gegen schwarz bepelzte Monster
verteidigen, legt ein weiteres Mal das visionäre Potenzial des Science-Fiction-Kinos
offen.
Man kennt die Situation aus dem Zombiefilm, der die Situation aus dem Westernkino kennt: Drinnen sitzen die Guten, draußen warten die Bösen – und an den Übergangsstellen gibt’s jede Menge Ärger. Das "Drinnen” ist in diesem Fall ein britischer Sozialbaukomplex im brutalistischen Stil, das "Draußen" ist das nächtliche London. Und die Bösen sind so tiefschwarz bepelzte monsters from outer space, dass das Kino als Lichtkunst seine wahre Not hat, diese Lichtfresser überhaupt ins Bild zu kriegen: Leerstellen, geboren aus ökonomischer Not, aber wahrhaft effektiv.
Nur mit den Guten ist das so eine Sache. Eingeführt werden sie gleich zu Beginn durch eine Szene, die einem nach den Londoner Riots vor wenigen Wochen sonderbar vertraut vorkommt: Da lungern ein paar jugendliche "Hoodies" auf einer Straße in einem Viertel herum, das die Amtssprache als "sozialen Brennpunkt" bezeichnen würde, und rauben, verbunden mit allen obligatorischen Mackergesten, eine sacht besser betuchte Passantin aus, von der es schon die Genrelogik möchte, dass sie später mit den Kids gemeinsame Sache macht – und sei es nur deshalb, weil man eben im selben anonymen Wohnkomplex sein Zuhause hat.
Die "Hoodies" also liegen mit dem Gesetz im Clinch. Viel Zeit nimmt sich "Attack the Block", die sozialen Codes und Relationen der Jungs in den Blick zu nehmen, bevor es richtig zur Sache geht: Ärger mit den Cops, Rumhängen beim Dealer, Hierarchienpflege beim örtlichen Großpimp, der die Grenze zur Karikatur schon ein Stück weit hinter sich lässt. Wichtiger aber: Das stolze Herumzeigen einer Trophäe, eines gerade eigenhändig totgehauenen Aliens im Miniwuchs, dem ärgerlicherweise alsbald die ausgewachsenen, schlecht gelaunten Artgenossen folgen.
Gerade die hochkriminelle Ader der Kids ist es, die sie hier zur Heldenrolle prädestiniert. Mit BMX, Smartphones und eigenwilliger Bewaffnung entwickeln sie im nächtlichen London der sozialen Spannungen eine Mobilität, von der die in Begriffen der klassischen Verkehrsordnung denkende Polizei nur träumen kann. So ist die gesteigerte Wendigkeit der Jungs, die sich des öffentlichen Stadtraums ganz unorthodox bemächtigten, denn auch eines der zentralen Spektakel des Films: Vom Großstadtguerilla zum Großstadtninja, Samuraischwert inklusive. Erhellend ist dies zumal in der Post-Riot-Situation, in der wir uns heute befinden. Auf die Frage, wie tausende mehr oder weniger desorganisierte Jugendliche tagelang die Polizei vorführen konnten, findet sich in "Attack the Block" zumindest latent die eine oder andere Antwort.
Schon auch weil die "Hoodies" hier in den Rang gefeierter Helden erkoren werden, kann man sicher sein, dass "Attack the Block" so heute nicht mehr gedreht werden würde und dies wohl gleich gar nicht von der offiziösen alten Tante BBC, die hier maßgeblich ihre Finger im Spiel hatte. Was sich darin einmal mehr zeigt, ist das große, fast visionäre Potenzial des Horror- und Science-Fiction-Kinos, die Zeit mit den passenden Bildern zu illustrieren. Meist geschieht dies im Nachhinein, mal mehr, mal weniger intendiert in den Subtext codiert – in diesem Fall ist es dem leicht schwerfälligen Distributionskomplex Kino zu verdanken, dass die fast hellsichtig vorabproduzierten Bilder nun wie zeitnah nachgeschoben wirken.
Doch auch von solchen Aspekten abgesehen: Als rasant geschnittener, sich seiner Grenzen und Potenziale stets bewusster Genrefilm macht "Attack the Block" einfach Riesenspaß. Und manchmal reicht ja einfach mal nur das – gut aber, dass hier noch mehr in der Tüte ist.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen in:www.perlentaucher.de
Attack the Block
Großbritannien 2011 – Regie: Joe Cornish – Darsteller: Jodie Whittaker,
Luke Treadaway, Nick Frost, John Boyega, Alex Esmail, Franz Drameh, Leeon Jones,
Simon Howard, Jumayn Hunter – FSK: ab 16 – Länge: 87 min. – Start: 22.9.2011
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