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A Single Man

 

 

 

 

Wie man eine Romanvorlage mausetot inszeniert, das lässt sich im Regiedebüt "A Single Man" des Ex-Gucci-Designers Tom Ford studieren.

 

Viel bewundert wurde bereits und selten gescholten "A Single Man", das Regiedebüt des legendären Ex-Gucci-Designers Tom Ford. Der Film war im Wettbewerb von Venedig zu sehen und Hauptdarsteller Colin Firth war für den Oscar nominiert, den Jeff Bridges bekam. Zugrunde liegt ein Roman von Christopher Isherwood, die Geschichte eines schwulen britischen Professors an einer kalifornischen Universität, der seinen über alles geliebten Partner bei einem Autounfall verliert. 1962 spielt das ganze, den Stil der Zeit hat Tom Ford obsessiv rekonstruiert (bzw. nach eigenem Dünken redesignt). Zu behaupten, dass "A Single Man" ein Ausstattungsfilm sei, wäre eine kolossale Untertreibung. Man würde sich, sieht man dieses Machwerk, nicht wundern, hätte Tom Ford höchstpersönlich jeden einzelnen Grashalm in einem nach langem Hin und Her endlich gewählten Grünton von Hand angemalt.

 

Der Vorwurf ist arg naheliegend, es hilft aber nichts: "A Single Man" ist schlicht und einfach zu Tode designt. Nicht nur wirken jeder Grashalm und jedes Haar auf dem Kopf einer jeden makellos in die Bildhintergründe hineinchoreografierten Studentin wie aufwändig ins Bild coiffiert, auch jedes Gefühl, jeder Gedanke, jede Regung werden erst ertränkt, dann erstickt, dann einbalsamiert, dann parfümiert und von der Kamera dem geneigt seine künstlichen Tränen erstickenden Publikum präsentiert. Es beginnt mit dem Morgenritual des lebensmüd geschlagenen Mannes George Falconer in seinem kalifornischen Glashaus. Er macht sich zurecht, er maskiert sich, er staffiert sich aus als Puppe, die weiter am Leben zu sein behauptet. Nicht nur sieht man das, erklärt wird es auch, von ihm selbst.

 

Fortgesetzte platte Redundanzproduktion bleibt der Hauptcharakterzug dieses Films, der will, dass man alles, aber auch alles, was er zu sagen hat, bis zur Ermüdung kapiert. Die Farbgebung von grundsätzlicher Entsättigung bis zu immer wieder aufblühenden Farbekstasen für den Moment signalisiert, so wie man mit Zaunpfählen winkt, was die Minute in der den Reizen der Wirklichkeit (oder denen junger Männer jedenfalls) doch noch nicht ganz abspenstigen Seele des Helden geschlagen hat. Und weil es Ford nicht reicht, Grashalme anzumalen, alles im Bild und auf der Tonspur zugleich zu sagen und mit bedeutungsschwerer Miene mit Zaunpfählen zu winken, wird man von der maximal minimal pathetisierenden Musik (von Abel Korzeniowski und Wong-Kar-Wei-Mann Shigeru Umebayashi) noch dazu wie mit nassem Handtuch geprügelt.

 

Am Anfang des Films wartet (anders als im Roman) die Pistole schon in der Schublade. Es wird dies also möglicherweise der letzte Tag im Leben eines in starrer Trauer gefangenen lebenden Toten. Wer glaubt, es sei das Balsamierte des Films adäquate und also konzeptuell beabsichtige Ausdrucksform einer balsamierten Existenz, liegt mutmaßlich falsch; auch die Momente der Erinnerung an glückliche Zeiten, die Sequenzen hochgeregelter Buntfarbigkeit, die Momente kurzer besoffener Ausgelassenheit mit der nicht minder unglücklichen britischen Freundin Charley (Julianne Moore, ganz unerträglich), alles, was eigentlich dem Grundzustand kontrastieren sollte, entspricht in der ästhetischen Konzeption der streng gescheitelten Trauerkloßhaftigkeit in ihrer anderen Art ganz genau.

 

"A Single Man" ist ein versiegelter Film. Manch skeptischer Kritiker erkannte im Spiel Colin Firths einen rettenden Rest echten Gefühls und subtil hergestellten sich regenden wirklichen Lebens. Die Szene, in der George Falconer am Telefon vom Tod des geliebten Mannes erfährt, wird als schauspielerische Glanzleistung gepriesen. Aber auch und gerade an ihr ist alles ausgestellt. Tom Ford setzt seinen Hauptdarsteller ins perfekt eingerichtete Bild und lässt ihn wie ein gelehriges Tier im Zoo echtes Gefühl performieren. Der tut das, ringt virtuos um Fassung, aber gelangt übers Klischee einer solchen Situation kein Jota hinaus. Das ist keine Kritik an Colin Firth, sondern die Feststellung, dass im Leben eines durch

und durch falschen Films eine echte Regung ein Ding der Unmöglichkeit ist.

 

Ekkehard Knörer

 

Dieser Text ist zuerst erschienen im: www.perlentaucher.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

A Single Man

USA 2009 – Regie: Tom Ford – Darsteller: Colin Firth, Julianne Moore, Nicholas Hoult, Matthew Goode, Jon Kortajarena, Paulette Lamori, Ryan Simpkins, Ginnifer Goodwin, Teddy Sears, Paul Butler, Aaron Sanders, Lee Pace – FSK: ab 12 – Länge: 100 min. – Start: 8.4.2010

 

 

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