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Art Girls

 

 

Immer in Bewegung und prinzipiell unberechenbar

Kunst in Berlin-Mitte. In der "Zone" verschwimmt die Grenze zwischen Kunst und Leben. Wenn ein Straßenarbeiter mit einem Pressluftbohrer hantiert, kann nicht ausgemacht gelten, dass es sich dabei nicht um einen amerikanischen Performance-Künstler handelt, der, wenn er es in Berlin nicht schaffen sollte, immer noch nach New York zurückkehren kann.

Nikita Neufeld und Una Queens sind Teil dieser prekär lebenden Kunst-Szene, nicht erfolgreich am Markt und nicht erfolgreich im Betrieb, der gerne Scheiße in Kunst verwandelt. Prekariat, gepaart mit Midlife-Crisis. Der Blick, den Robert Bramkamp und Susanne Weirich auf die schicke Kunstszene werfen, ist satirisch, boshaft und zeugt von einiger Kennerschaft. Doch dann weitet sich der Blick, kommt die Wissenschaft in Gestalt der Zwillingsbrüder Peter und Laurens Maturana ins Spiel, Bio-Forscher, die an einem revolutionär-riskanten Projekt namens "Biosynchronisation" arbeiten, das durch L-Strahlung Subjekte kurzzeitig zur einer "Wir-Intelligenz" formt und kollektiviert. Doch auch hier sind Forschungsmittel knapp geworden.

Nach dem unter "mad scientists" üblichen Selbstversuch aus Verzweiflung ist Peter gelähmt und arbeitet seither als Kurator, der mit seinem Geheimnis Mehrwert heckt und der Kunst eine Aura verleiht, die vom Künstler nicht mehr ausgeht. Er, der wenig bis nichts von Kunst versteht, träumt von einer Kunst, die Wirkung zeigt. Peter und Nikita gehen eine Geschäftsbeziehung ein, die auf clevere Weise Kunst und Sex kritisch kurzschließt. Die beiden Manturanas ködern die Künstlerinnen mit der gesponserten Ausstellung "Art Gate", die allerdings nur als Alibi fungiert, um die Wirkung der L-Strahlung an einer größeren Menge von Menschen zu testen.

Der Erfolg ist frappant (und der Film findet dafür schöne Bilder), schlägt aber schnell um ins Katastrophale. Hier wechselt der Film, der zwischenzeitlich auch mal zu einer ironisch gebrochenen Form der romantischen Komödie gefunden hatte, erneut das Genre – und überrascht jetzt mit liebevoll inszenierten Low-Budget-Referenzen an "Transformers" oder "King Kong". So bleibt "Art Girls" immer in Bewegung und prinzipiell unberechenbar: Am Schluss steht die schöne Utopie des "kollektiven Erzählens", das die Regeln der Genres durch Alternativen und Perspektivwechsel spielerisch torpediert.

Wenn die "Kunstwirkung", von der bislang nur gesprochen wurde, sich einstellt, greift sie entscheidend in den Film ein und verändert ihn: Die Katastrophe ist nicht zwangsläufig. Während die Kunst-Szene mit all ihrer gar nicht mal verdeckten Abhängigkeiten und Machtspielen eher satirisch zugespitzt vorgeführt wird, bleibt die Kunst selbst – hier zumeist Medienkunst von Künstlerinnen (für die teilweise die Künstlerin Susanne Weirich verantwortlich zeichnet: Manche Video-Installation kann man auch unabhängig vom Film in Galerien sehen) – davon unberührt.

So öffnet sich der mit diversen Erzählfunktionen und Erzählebenen experimentierende Film für allerlei Überraschungen und Spiegelungen, die zwischen Augenzwinkern und forschendem Filmlabor changieren. Passend dazu liefern Bramkamp und Weirich ergänzend und crossmedial nicht nur das "Art Girls" – Making-of "Neue Natur – Art Girls intern", das noch vor dem Kinostart von "Art Girls" auf ARTE Creative zu sehen war (und auch noch länger zu sehen sein wird) und das seinerseits als Mockumentary ein paar weitere Möglichkeiten der "Art Girls"-Konstellation ausprobiert und variierend ergänzt.

Weiterhin wird "Art Girls" bundesweit mit begleitenden Diskussionen in Kinos und Kunst-Institutionen wie dem Karsruher "ZKM" zu sehen sein und zudem von Bramkamp selbst mit einer E-Vorlesung zum innovativen Filmemachen im Internet flankiert. Man sollte also besser den reflexiven Gesamtzusammenhang wählen, den "Art Girls" anbietet, um der Intention des Unternehmens habhaft zu werden. Film als spielerisches Werkzeug zur durchaus ernst gemeinten Infragestellung von medialen Wirklichkeitskonstruktionen zwischen Wissenschaft und Entertainment.

Benotung des Films: (8/10)

Ulrich Kriest

Dieser Text ist zuerst erschienen in:www.filmgazette.de

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 
Art Girls
Deutschland 2013 – 125 min. – Regie: Robert Bramkamp – Drehbuch: Robert Bramkamp, Reimund Spitzer – Produktion: Robert Bramkamp, Kirsten Ellerbrake, Susanne Weirich – Kamera: Sebastian Egert – Schnitt: Andreas Zitzmann – Verleih: realeyz Arthouse Cinema – FSK: ab 12 Jahren – Besetzung: Inga Busch, Peter Lohmeyer, Megan Gay, Jana Schulz, Judica Albrecht, Harald Falckenberg, Gabriele Gysi, Klara Herbel, Isabelle Höpfner, Jaron Löwenberg, Tomek Nowicki, Erik Schäffler – Kinostart (D): 09.04.2015

 

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