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Das
Appartement
Die
halbe Miete
Man
hat es angesichts der Actionhelden der 80er und 90er und angesichts der zwanghaften
Happy Ends der letzten Jahrzehnte längst vergessen, aber in seiner goldenen
Komödienzeit war Hollywood tatsächlich mal ein Ort, wo man Verlierer
feierte, anstatt immer nur den Siegern hinterherzujubeln. Es ist auffällig,
dass es vor allem europäische Exil-Regisseure waren, die diese eher unamerikanische
Sichtweise in die Staaten brachten. Ernst Lubitsch, der den stilvollen Kleingaunern
ein Denkmal setzte, den polnischen Schmierenkomödianten und den lebenslangen
Tunichtguten und romantischen Trotteln, war einer der Väter dieses Trends,
und einer seiner gelehrigsten Schüler war bekanntlich Billy Wilder, der
mit Jack Lemmon später den perfekten Verlierer fand: Als cineastischer
Charlie Brown befand er sich im ständigen Zustand der hektischen Verzweiflung,
aber Resignation kam für ihn auch nicht so richtig in Frage.
Der
makelloseste Film der beiden ist sicherlich die perfekt inszenierte und mit
brillantem Timing gespielte Klassiker „Manche
mögen’s heiß“;
und der überraschendste ist sicherlich die 1968 entstandene Ferienromanze
„Avanti, Avanti“, die im Geist des Erscheinungsjahres mit Körperkult und
Jugendwahn aufräumt und Lemmon ganz ungeniert beim Nacktschwimmen zeigt.
Der schönste Film der beiden aber, da wird es wenig Nachdenken geben, ist
„Das Appartement“. Es ist eine tragikomische Ode an das große Unglück
und das kleine Glück, in dem sich Selbstmordversuche, Raubtierkapitalismus,
Sexismus, Betrug und Arbeitslosigkeit die Klinke in die Hand geben. Schon Frank
Capra wusste, dass die berührendsten Komödien da anfangen, wo sich
ein ruinierter Mann von der Brücke stürzen möchte. Auf dem Geländer
über dem Abgrund setzt die Leichtfüßigkeit erst richtig ein.
Und
welch eine Leichtfüßigkeit! Lemmon scharwenzelt als verhinderter
Karrierist durch das anonyme Großraumbüro und um die hübsche
Aufzugsdame Ms. Kubelik, bevor er zu seiner Verbitterung feststellen muss, dass
sein rasanter Aufstieg in die oberen Etagen der Firmenleitung mit dem Preis
versehen kommt, dass die Vorstände seine Junggesellenwohnung als anonymes
Liebesnest nutzen dürfen und dass besagte Ms. Kubelik sich hoffnungslos
dem schmierigen Obermacker Sheldrake verschrieben hat. Es ist die unabwendbare
Ballade vom Kleinen Mann, dessen Anstand sich trotz einiger grammatikalischer
und kulinarischer Spleens am Ende durchsetzt, aber niemand erzählt sie
mit so viel Herz, Wärme und vor allem Mut zum echten Schmerz wie Billy
Wilder. Egal, ob als Junggeselle an Weihnachten, als Arbeiter inmitten der automatisierten
Anonymität oder als einzig Traurige in einem Saal voller Silvestergäste
– selten wurde Einsamkeit im Film so trostlos und treffend geschildert wie hier.
Und selten brachten die kleine Momente menschlicher Gemeinschaft, das gemeinsame
Spaghettikochen, Aufzugfahren, Kartenspielen, so große Befriedigung.
Dass
ein so kleiner, feiner Film einst fünf Oscars erhielt, unter anderem für
Drehbuch, Schnitt, Regie und als bester Film (während Lemmon und MacLaine
schmählich leer ausgingen), zeigt ein weiteres Mal, wie hoch die Verlierer
noch 1960 im Kurs standen. Man wünscht sich sehnlichst zurück nach
den Zeiten, da der Quarterback am Schluss nicht den entscheidenden Touchdown
wirft, der Politiker die entscheidende Wahl gewinnt oder irgendwer zumindest
eine strahlenden moralischen Triumph davonträgt. Am Ende von „Das Appartement“
ist für die Beteiligten eigentlich fast alles schlechter als zu Beginn.
Die Karriere ruiniert, die titelgebende Wohnung verloren, die Zukunft ungewiss
– aber immerhin haben sich die einsamen Geister der Verlierer gefunden und mischen
die Karten für ein neues Spiel und ein neues Jahr. Wer weiß, vielleicht
gewinnen sie ja dieses Mal.
Daniel
Bickermann
Dieser Text ist zuerst erschienen im: schnitt
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Das
Appartement
The
Apartment. USA 1960. R: Billy Wilder. B: Billy Wilder, I.A.L. Diamond. K: Joseph
LaShelle. S:
Daniel Mandell. M: Adolph Deutsch. P:
The Mirisch Corporation. D: Jack Lemmon, Shirley MacLaine, Fred MacMurray, Ray
Walston, Jack Kruschen, David Lewis, Hope Holiday, Joan Shawlee u.a.
125
Min.
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