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American Hustle
Das Streben nach Tricks
Noch mehr Kandidaten für einen Darsteller-Oscar:
„American Hustle“ von David O. Russell erzählt den American Dream als Farce
Die diesjährige Oscar-Verleihung steht zumindest bei den Kandidaten
für den männlichen Darstellerpreis unter dem Vorzeichen der performativen
Übererfüllung. Leonardo DiCaprio und Jonah Hill chargieren als notgeile,
zugekokste Powerbroker in dem ohnehin schon grenzwertig selbstbesoffenen „Wolf of Wall Street“.
Michael Fassbender darf in „12 Years a Slave“ den Sadismus
seiner Figur nach Herzenslust ausagieren. Und Matthew McConaughey nahm für
seine Rolle als Aids-Patient in „Dallas Buyers Club“
50 Pfund ab.
David O. Russells Film „American Hustle“, der diese Woche in den Kinos startet,
hat das Programm der Überaffirmation nun schon so weit verinnerlicht, dass
er seine Geschichte als lupenreine Farce ausspielen kann. Konsequenterweise
wurden gleich alle vier Hauptdarsteller – Christian Bale, Amy Adams, Bradley
Cooper und Jennifer Lawrence – zur Auszeichnung nominiert. Die Oscar-Saison
sollte kein Gradmesser für die Qualität eines Kinojahrgangs sein,
aber in diesem Jahr besitzt die Nominierungskonzentration um einige ausgesuchte
Filme mit einem spezifischen Blick auf die amerikanische Mentalitätsgeschichte
zeitdiagnostischen Wert.
„American Hustle“ ist als detailverliebt aufgepimptes Exemplar des period movie besonders symptomatisch. Das autoritative Attribut „American“ insinuiert bereits, dass es sich hier um mehr als eine ziemlich durchgeknallte Trickbetrüger-Posse aus der vordigitalen Zeitrechnung handeln soll („some of this actually happened“ heißt es zu Beginn).
Aufreizender Retrolook
Auch wenn sich eine Lesart als repräsentativer nationaler Unternehmermythos
(Welcher Epoche gleich? Der zwischen Watergate und Reaganomics?) nicht unbedingt
aufdrängt, verhilft Russell seinem Film dank pausenlos kreisender Kamerafahrten,
der motivischen Dauerbeschallung mit Siebziger-Jahre-Oldies, eines aufreizenden
Retrolooks (Adams tiefgeschlitzte Dekolletés, Bales kompliziert gescheiteltes
Frisurengebilde) und eines aufdringlichen, multiperspektivischen Voice-Over
zu einer programmatischen Epik, der keiner der Figuren gerecht wird. Der „American
Hustle“, von dem Russell erzählt, ist – wie auch das „American“ im Titel
– immer eine Nummer zu großspurig gedacht. Er stellt bloß eine Schwundform
des „American Dream“ dar.
Russells Film rollt die sogenannte „Abscam“-Operation des FBI auf. Ende der siebziger Jahre rekrutierte die amerikanische Bundespolizei ein Trickbetrüger-Pärchen, um mit Hilfe eines falschen Scheichs (das „Ab“ steht für „Arab“ – im Film beschwert sich dann auch der hispanische Scheichdarsteller, dass die Bezeichnung „Abscam“ ziemlich rassistisch sei) hochrangige Abgeordnete und einen Senator der Bestechlichkeit zu überführen. Die Enthüllung schlug damals so hohe Wellen, dass sogar die „Blues Brothers“ John Belushi und Dan Aykroyd kurzzeitig für eine Verfilmung im Gespräch waren. Bei Russell sind vom Saturday Night Live-Ansatz nur die beknackten Frisuren und die albernen Klamotten geblieben. Bradley Cooper spielt in „American Hustle“ den überambitionierten FBI-Agenten Richie DiMaso, der die Westentaschenbetrüger Irving (Bale) und Sydney (Adams) für seine Operation anheuert. Ihr erstes Opfer ist ein Bürgermeister aus New Jersey (Jeremy Renner mit Rockabilly-Tolle), der davon träumt, die marode Spielermetropole Atlantic City wieder aufzubauen und so neue Arbeitsplätze zu schaffen.
Das Gegenteil von Erfolg
An solch ausgeprägtem Gemeinsinn mangelt es den amerikanischen Hustlern.
Russell moderiert die hochfliegenden Pläne seiner Figuren mit einer grundsätzlich
empathischen Distanziertheit – er trifft also einen Ton, der auch Scorseses
Omnipotenzfantasie „Wolf of Wall Street“ gut gestanden
hätte. Russells Überaffirmation erweist sich letztlich jedoch, anders
als bei Scorsese, als clevere Distanzierungsgeste. Denn im Grunde spielen alle
Figuren in „American Hustle“ außerhalb ihrer Liga. So wird Richies zaudernder
Vorgesetzter (der Komiker Louis C.K. in einer Paraderolle als eigenschaftsloser
Bürokrat) zur exemplarischen Figur des Films. Er kennt von Beginn an seinen
Platz in der Hierarchie und darf sich am Ende für seine Tatenlosigkeit
auszeichnen lassen.
Schon mit seinen thematisch ähnlich gelagerten Filmen „The Fighter“ und „Silver Linings“ schien Russell ein interessantes Projekt zu verfolgen, das nun klare Konturen annimmt. „American Hustle“ ist die Umkehrung der amerikanischen Erfolgsgeschichte („Pursuit of Happiness“ etc.) – erzählt als Happy-End, das noch seine piefige Konventionalität als cleveren Verfremdungseffekt verkauft. David O. Russell macht avantgardistisches Volkskino.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: der freitag
Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte
American Hustle
USA 2013 – 138 Minuten – Kinostart: 13.02.2014 – FSK: ab 6 Jahre – Regie: David
O. Russell – Drehbuch: David O. Russell, Eric Warren Singer – Produktion: Megan
Ellison, Charles Roven, Richard Suckle, Matthew Budman, Bradley Cooper, Jonathan
Gordon, Andy Horwitz, Mark Kamine, George Parra, Eric Warren Singer – Kamera:
Linus Sandgren – Schnitt: Alan Baumgarten, Jay Cassidy, Crispin Struthers –
Musik: Danny Elfman – Darsteller: Jennifer Lawrence, Christian Bale, Amy Adams,
Bradley Cooper, Robert De Niro, Jeremy Renner, Jack Huston, Colleen Camp, Louis
C.K., Elisabeth Röhm, Michael Peña, Alessandro Nivola, Dawn Olivieri,
Anthony Zerbe, Erica McDermott – Verleih: Tobis
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