zur startseite

zum archiv

Alter und Schönheit

Ein kurzer Film über das Sterben.

 

Manni (Peter Lohmeyer), vom Krebs gezeichneter Schauspieler, versammelt noch ein letztes Mal seine alte Clique um sich. Wobei Harry (Henry Hübchen), Justus (Burghart Klaußner) und Berny (Armin Rohde) vor allem die Aufgabe zukommt, ihrer aller früheren Schwarm Rosi (Sibylle Canonica) ins Hospiz zu bringen. Mannis letzter Wunsch, eine Aussprache mit der ehemaligen Freundin und großen Liebe, entwickelt sich für die anderen zu einem Trip in die Vergangenheit, der nicht ohne Auswirkungen auf die Gegenwart bleibt.

 

Michael Kliers neueste Arbeit konzentriert sich ganz auf die fünf Hauptfiguren, womit sie beinahe zwangsläufig zu einem Schauspielerfilm avanciert. Den negativen Assoziationen, die man damit in Bezug auf die Darstellung verbinden mag – expressives, exaltiertes Over-Acting etwa – versperrt sich Alter und Schönheit gekonnt. Dafür ist die Schauspielerwahl schlichtweg zu gelungen. Burghart Klaußner, vor allem seit Die fetten Jahre sind vorbei (2004) einem breiten Kinopublikum bekannt, schafft es hier einmal mehr, die scheinbaren Widersprüche Zurückhaltung und Präsenz in Einklang zu bringen. Henry Hübchen, Theater-Ikone und seit Alles auf Zucker! auch Kinostar, hat eine Fernseh-Entwicklung hinter sich, die durchaus Parallelen zur Figur des Manni aufweist, der als TV-Kommissar in Erscheinung trat, ehe er in den Soap-Tiefen versunken ist. Ganz so weit ist es mit Hübchen noch nicht, doch seit seinem grandiosen Auftritt als mordender Kommissar in dem sensationellen Liebestod (2000) ist auch er zum seriellen TV-Kommissar mutiert. Hier gibt er dem Kastenwagen fahrenden Harry eine leicht unsympathische Schnoddrigkeit mit, einen Hang zum Phlegma, der sich dauerhaft nicht glückbringend aufs Liebesleben auswirken kann. Glück, damit scheint auch Rosi nicht gesegnet zu sein. Sibylle Canonica ist im Sinne des Kinomarktes noch so unverbraucht vor der Kamera, dass man den Zwischentönen, Launen und Unwägbarkeiten ihrer Figur gespannt folgt. Mit all dem konnte man rechnen, ein wenig überraschend inmitten dieses Casts ist dann vielleicht doch der sonst so häufig polternde Armin Rohde. Ausgerechnet sein Bernhard ist der Ruhepol des Films und die Figur, deren Emotionen und Entwicklungen man am aufmerksamsten beobachtet.

 

Obwohl die Darsteller darauf verzichten, ihre Figuren mit allzu auffälligen Ticks anzureichern und sich in den Vordergrund zu drängen, wirkt Alter und Schönheit in einem anderen Kontext wie das warnende Beispiel eines Schauspielerfilms. Vor lauter Konzentration auf die Figuren hätte man Klier gewünscht, die Bilder nicht zwischenzeitig aus den Augen zu verlieren. Sein Film ist auf wenige Orte, meistens Wohnräume, reduziert. Rosis Hochhausverschlag, Mannis Kleinjungentraumvilla, sein ganz und gar nicht traumhaftes Hospizzimmer. Die Figuren bewegen sich innerhalb dieser Orte, aber sie verschmelzen nicht mit ihnen zu eindringlichen Bildern. Alle Orte und Requisiten dienen als manchmal zu offensichtliche Katalysatoren. Da muss der Pool für allerlei bekannte Bilder herhalten, bis zum Überlaufen. Die Plattensammlung hat ihre Rolle, das Schlafzimmer, die Couchecke. In Rosis Wohnung hängt ein schönes Filmplakat, liebevoll vom Filmteam ausgesucht, der Rest ist betont öde. Der Frau geht es nicht gut. Berny trägt ständig seine schwarze Aktentasche mit sich rum, eine Last, wie sein ganzer Job und seine Beziehung. Wer es dennoch nicht merkt, wird via Dialog darauf hingewiesen.

 

Alles hat seine wohl kalkulierte Rolle und im Zentrum dieser Accessoire-Reihe steht ein Ferrari-Kurzfilm. Der italienische Rennwagen wird hier zum Symbol, an dem sich jede Figur abarbeiten muss.

 

Am Ende lehnt Manni an diesem Wagen, die anderen vier um ihn herum. Die Kamera entdeckt eine wunderbar weite, aber auch karge Landschaft, einen etwas abseitigen Weg und noch vieles mehr, das nicht eindeutig zuzuordnen ist. Sie fährt zurück, hoch, schwenkt. Auf einmal entdeckt der Film seine Sinnlichkeit, findet ein Bild jenseits der Wörter, jenseits des Spiels. Man bekommt eine Ahnung, wie großartig Alter und Schönheit hätte werden können.

 

Sascha Keilholz

 

Dieser Text ist zuerst erschienen in www.critic.de 

Zu diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere Texte

 

 

Alter und Schönheit

Deutschland 2008 – Regie: Michael Klier – Darsteller: Henry Hübchen, Burghart Klaußner, Armin Rohde, Peter Lohmeyer, Sibylle Canonica, Imogen Kogge, Friederike Wagner – Prädikat: besonders wertvoll – FSK: ohne Altersbeschränkung – Länge: 95 min. – Start: 8.1.2009 

 

 

 

zur startseite

zum archiv