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Almanya – Willkommen in Deutschland
Als die Westdeutschen Ende der fünfziger Jahre zu etwas Wohlstand gekommen waren, schwärmten sie aus gen Süden und entdeckten die Fremde endlich mal ohne Uniform. Heißa, da gab es was zu staunen! Fremde Völker, fremde Sitten! Und damit die Begegnung mit dem Unbekannten nicht zu forciert ausfiel, begab sich der deutsche Film gleichfalls auf Reisen und zeigte, welche Abenteuer Conny und Peter, Catharina und Silvio, Freddy und Peter Alexander unter fremden Sternen erlebten. Die entsprechenden Filme trugen dann Titel wie "Freddy und der Millionär" oder "Wenn man baden geht auf Teneriffa".
An diese Filme fühlt man sich erinnert, wenn man sich jetzt den netten Klamauk "Almanya – Willkommen in Deutschland" anschaut, dessen wahrlich plombenziehende Harmlosigkeit wohl nur zu ertragen ist, wenn man sich den Film als ironisch-warmherzige Reaktion auf die bodenlose Sarrazin-Debatte schönredet. Erzählt wird die Geschichte von Hüseyin Yilmaz, der 1964 um ein Haar der einmillionste Gastarbeiter geworden wäre, dem es aber hierzulande so gut gefiel, dass er 1970 seine Familie nachholte. Was für ein seltsames Land! Was für seltsame Gebräuche! In Deutschland essen sie Schweine, sprechen eine völlige unverständliche Sprache, beten zu einem blutenden Mann, der an der Wand hängt.
Den Schwestern Yasemin und Nesrin Samdereli, die bereits am Drehbuch des Vorabendknallers "Türkisch für Anfänger" mitschrieben, haben tatsächlich einige gute Ideen in ihren Film geschmuggelt, um so etwas wie eine Patchworkidentität zu beschreiben. Ein Wohlfühlfilm über letztlich reibungslos gelungene Integration muss wohl ohne Hassprediger, Naziskins, Bildungsmisere, Ehrenmorde und Brandanschläge auskommen. Das größte Problem ist hier, ob der kleine Cenk von den Deutschen oder den Türken ins Schulfußballteam gewählt wird.
Ulrich Kriest
Dieser Text ist zuerst erschienen in der: Stuttgarter Zeitung
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Almanya – Willkommen in Deutschland
Deutschland 2010 – 97 min.
Regie: Yasemin Samdereli – Drehbuch: Yasemin Samdereli, Nesrin Samdereli – Produktion:
Anja-Karina Richter – Kamera:The Chau Ngo – Schnitt: Andrea Mertens – Musik:
Gerd Baumann – Verleih: Concorde – FSK: ab 6 Jahre – Besetzung: Vedat
Erincin, Fahri Yardim, Lilay Huser, Demet Gül, Rafael Koussouris, Aylin Tezel, Denis Moschitto, Petra Schmidt-Schaller, Aykut Kayacik, Ercan Karaçayli – Kinostart (D): 10.03.2011
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