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96 Hours – Taken 2
In Olivier Megatons "Taken 2" setzt der 59-jährige Liam Neeson seine unwahrscheinliche Actionkarriere fort.
Soll einer sagen, Actionfilme sind zu nichts nutze: In "Taken 2" findet sich immerhin ein Vorschlag, wie man einander etwa in einer dicht bevölkerten, engen Metropole wie Istanbul wiederfinden kann, wenn man sich aus den Augen verloren hat, idealerweise, wenn man sich selbst in einem Gebäude aufhält, von dem man gar nicht genau weiß, wo es sich eigentlich befindet (zum Beispiel, weil man entführt wurde und nun im Keller gefangen ist). Liam Neeson jedenfalls, dem als Leibwächter Bryan Mills genau dies passiert ist, gibt seiner sich noch im Hotelzimmer befindlichen Tochter Kim (Maggie Grace), der ein ähnliches Schicksal droht, über ein ins Verlies geschmuggeltes Mini-Agententelefon pragmatische Anweisungen: "Wirf’ eine Granate aus dem Fenster, ich zähle die Sekunden, bis ich hier die Detonation höre!" Sprach’s, warf’s – und die Luxuskarosserie auf dem gegenüber liegenden Dach ist nur mehr kleinteiliger Metalschrott: Geh’n wir Granaten werfen in Istanbul!
Dass Mills von den Sekunden auf mit der Schallgeschwindigkeit nicht vereinbare Distanzen schließt und seine Tochter im Folgenden die Anweisung, mit einer Karte die genannte Strecke im Maßstab an einem Schnürsenkel abzumessen und mit einem Stift einen entsprechenden Radius um das Hotel zu ziehen, untergräbt, indem sie den Schnürsenkel am oberen Ende des Stiftes befestigt, gehört zu den symptomatischen Schlampereien dieses Fähnlein-Fieselschweif-Films für Beknackte. Sie setzen sich fort in den wilden Verfolgungsjagden per pedes und auf Rädern durch die Gassen Istanbuls, die der Inszenierung nach allen Regeln der Kunst aus den Händen gleiten: Ein einziges erratisches Kuddelmuddel, in dem für Konstanz lediglich die Zahl der türkischen Brezeln sorgt, die auf der Rückscheibe von Mills’ Wagen wie ein festgeleimter Marker – bitte auf dieses Auto achten! – liegen bleiben. Deutlich sorgfältiger ist die Montage, wenn es gilt, die relative und sehr verständliche Immobilität ihres mit 59 Jahren immerhin einigermaßen unwahrscheinlichen Actionhelden Liam Neeson im Faustkampf zu kaschieren.
Diese unwahrscheinliche Actionfilmkarriere deutlich jenseits der 50 trat vor wenigen Jahren der erste "Taken"-Film (sinnfälliger deutscher Verleihtitel: "96 Hours") los, der immerhin als exploitativer und kompromissloser Reißer seine Freunde hat und ein im Folgenden von Filmen wie "Unknown Identity" und "The Grey" bedientes Mini-Genre des "Neeson-Actionfilms" begründete. In "Taken" sorgte Mills für zahlreiche Tote unter den Entführern seiner Tochter, unter denen sich offenbar auch die Söhne eines albanischen Großpatriarchen befanden, der nun im vorliegenden Sequel aus Rachegründen Mills’ Familie auszulöschen gedenkt. Die (ohnehin nicht lange aufrecht gehaltene) Inversion, dass nun die entwischte Tochter den Vater aus der Gefangenschaft befreien muss, ändert nicht viel daran, dass dieser zweite Aufguss gründlich missraten und insbesondere in der länglichen Exposition, die im Rahmen der Möglichkeiten einer Patchwork-Familie nach der Scheidung Normalität markiert, oft schmerzhaft peinlich geraten ist. Wie Neeson als überfürsorglicher Vater mit Knautschgesicht seiner Tochter und deren Lover nachstellt, erinnert an Al Bundy kurz vor dem Amok, den er dann später, in Istanbul, voll entfesseln kann.
Gegen Ende darf Neeson als Mills genretypische Ermattungssprüche klopfen, die wohl auch für ihn selbst gelten und ans Publikum gerichtet sein dürften: Er habe keine Lust mehr auf das Kämpfen, mit dem Töten soll ein für allemal Schluss sein, spricht’s grimmig vor dem letzten Kill. "Taken 2" schließt im Modus der Endgültigkeit: That’s all Folks! Nur in Ruhe lassen wird man den alten Mann wohl nicht so weiteres: In den USA behauptet sich "Taken 2" gerade problemlos an der Spitze der Kinocharts – und für "Taken 3" dürfte sich sicher irgendein türkischer Bösewicht finden, der sich an Liam Neeson für die Notsprengung seines Wagens rächen will.
Thomas Groh
Dieser Text ist zuerst erschienen im: www.perlentaucher.de
96 Hours – Taken 2
Frankreich 2012 – Originaltitel: Taken 2 – Regie: Olivier Megaton – Darsteller:
Liam Neeson, Maggie Grace, Famke Janssen, Rade Serbedzija, Leland Orser, Luke
Grimes, Laura Bryce, Aclan Bates, D.B. Sweeney – FSK: ab 16 – Länge: 91
min. – Start: 11.10.2012
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