zur startseite
zum archiv
zu den essays
5 Zimmer Küche Sarg
Die Frage, auf welchen verschlungenen Pfaden es eine Gruppe Vampire aus Transsilvanien bis nach Neuseeland verschlagen hat, wäre an sich schon eine Geschichte für einen interessanten Film. „5 Zimmer, Küche, Sarg“ des neuseeländischen Komikerduos Taika Waititi und Jemaine Clement dient diese Prämisse lediglich als Grundlage für eine Sozialstudie über das Gruppenverhalten von Vampiren. Der einzelgängerische Vampir steht – anders als Zombies oder Werwölfe – ja nicht unbedingt in dem Ruf, über eine hohe Sozialkompetenz zu verfügen. Auf dieser spekulativen Idee beruht der ganze Witz, den Waititi und Clement auf jede nur erdenkliche Weise – von todernst bis hochgradig absurd – durchspielen. Rühmte sich die deutsche Komödie „Wir sind die Neuen“ kürzlich noch mit der ältesten Wohngemeinschaft der Filmgeschichte, verweist „5 Zimmer, Küche, Sarg“ die Alt-68er locker auf die Plätze. Allein der 8000 Jahre alte Petyr, dem äußeren Erscheinungsbild nach ein entfernter Verwandter von Murnaus Nosferatu, hebt den Altersdurchschnitt beträchtlich. Weil er in seiner Lebenszeit schon so ziemlich alles mitgemacht hat, ist er von banalen Aktivitäten wie der wöchentlichen WG-Besprechung befreit.
„5 Zimmer, Küche, Sarg“ stellt im Mockumentary-Stile empirische
Untersuchungen über die Leben von vier Vampiren mit unterschiedlich ausgeprägten
narzisstischen Persönlichkeiten an. Die Frage nach der Alltagstauglichkeit
des Vampir-Daseins schwingt dabei immer im Hintergrund mit. Der Film orientiert
sich nicht ganz zufällig an bekannten Fernsehformaten, Waititi und Clement
sind mit der HBO-Comedyserie „Flight of the Conchords“ bekannt geworden. „5
Zimmer, Küche, Sarg“ funktioniert jedoch eher wie eine Mischung aus „The
Office“ und „Big Bang Theorie“. Es geht immer um Vorführeffekte: zwischen
Eigen- und Fremdwahrnehmung und von vermeintlich selbstverständlichen sozialen
Praktiken. Meistens geht das natürlich fürchterlich schief. Die Probleme
beginnen schon mit der Frage, wie man sich für einen Clubabend zurechtmacht,
wenn man kein Spiegelbild wirft. (Die Vampire entwerfen Zeichnungen und halten
diese ihren Mitbewohnern vor) Ein freundliches Dinner endet buchstäblich
in einem Blutbad, weil Viago, der leicht tuckige Dandy der Truppe (in der deutschen
Synchro spricht er unerklärlicherweise mit Wiener Schmäh), aus Versehen
die Halsschlagader seines weiblichen Opfers trifft.
Die Eigenarten des vampirischen Alltags erhalten durch die Ankunft des etwas beschränkten Hipsters Nick, dem jüngsten Opfer Petyrs, einen sanften Stoß in Richtung Informationszeitalter. Die Internetverbindung ist in der alten Villa zwar etwas langsam, dafür kommen die Vampire auf YouTube erstmals in den Genuss eines Sonnenaufgangs (das Video eines Atombombentests). Waititi und Clement variieren das reichlich auserzählte Sitcom-Format der WG-Comedy immer auf der Basis eines gesicherten Wissens der Vampirmythologie. Die dokumentarische Form dient dabei eher als Vorwand. „5 Zimmer, Küche, Sarg“ ist gewissermaßen eine “Comedy of Manners” – ein Eindruck, der durch die lächerlichen Beau Brummell-Kostüme noch verstärkt wird. Der Klassendünkel der Vampire zeigt sich in ihrer despektierlichen Haltung gegenüber einer Gruppe sozialbewusster Werwölfe, die in einer schönen “True Blood”-Reminiszenz schließlich auch noch zu ihrem Recht kommen.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen in: epd Film
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
5 Zimmer Küche Sarg
OT: What We Do in the Shadows
USA 2014 – 86 min. – Regie: Jemaine Clement, Taika Waititi – Drehbuch: Jemaine
Clement, Taika Waititi – Produktion: Jemaine Clement, Pamela Harvey-White, Emanuel
Michael, Taika Waititi, Chelsea Winstanley – Kamera: Richard Bluck, D.J. Stipsen
– Schnitt: Tom Eagles, Yana Gorskaya, Jonathan Woodford-Robinson – Musik: Plan
9 – Verleih: Weltkino – FSK: ab 12 Jahren – Besetzung: Taika Waititi, Jemaine
Clement, Jonathan Brugh, Cori Gonzalez-Macuer, Stuart Rutherford, Jackie van
Beek, Rhys Darby, Luke Bonjers, Kura Forrester – Kinostart (D): 30.10.2014
zur startseite
zum archiv
zu den essays