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3 Zimmer/Küche/Bad
Treppen steigen, Kisten schleppen, Mietwagen beladen: Profane Alltagshandlungen
wie diese kommen in Dietrich Brüggemanns Film häufig vor. Glaubt man
den vielen, mit guter Laune absolvierten Aufbrüchen, muss man annehmen,
dass das heutige Studentenleben vor allem aus Umzügen und notorischem Partnertausch
besteht. War da nicht etwas mit Bologna-Prozess, Präsenzpflicht und nicht
abreißenden Prüfungen? Das Personal von Brüggemanns WG-Reigen
zieht es jedenfalls vor, im Rhythmus der vier Jahreszeiten den Lebensplan umzuschmeißen
und sämtliche Optionen dem Praxistest zu unterziehen. Die seit der berüchtigten
„Generation Golf“ medial unendlich diskutierte Lust an der Unentschiedenheit
produziert natürlich kurzweilige Komplikationen und jede Menge Schlagabtausch
zwischen den Geschlechtern. Dass man trotz des ersten Verdachts einer nur mäßig
originellen Beziehungskomödie ins Geschehen hineingesogen wird, liegt an
der vorbildlich getakteten Regie und den klar konturierten Charakteren: Bereits
nach einer halben Stunde glaubt man sich in der deutschen Version jener wunderbaren
Cliquen-Filme französischer Provenienz zu befinden, von Claude Sautets
„Vincent, François, Paul und die anderen“ (fd 19 257) bis zu Guillaume
Canets „Kleine wahre Lügen“ (fd 40 539).
Ein Haufen Berliner Freunde teilt die amourösen Höhen und Tiefen miteinander, schmiedet Solo-Entwürfe und landet doch immer wieder in der Nestwärme der eingespielten Gruppenrollen. Das verwundert nicht weiter, gerät der parallel geschnittene Weihnachtsbesuch bei den Eltern in Stuttgart oder Hannover doch kollektiv zum Desaster aus Streitritualen, Vorwürfen und desillusionierenden Wahrheiten. Seltsam nur – oder fast wieder allzu menschlich – , dass der Abgesang auf die Kleinfamilie keinen der Freunde davor schützt, längerfristig doch Halt in dem gleichen Paarlauf aus Mutter, Vater und Kind zu suchen. Besonders hart trifft es die drei Geschwister, die Heiligabend von der Trennung ihrer Eltern erfahren. Dass diese schon länger zurückliegt und nur aus Rücksicht auf die Kinder verschwiegen wurde, stellt die eigene Biografie bedrohlich auf den Kopf. Die vielen Jahre der Verstellung lassen die betont tolerant auftretenden Eltern plötzlich als Gescheiterte da stehen.
Dass die Mutter in Gestalt von Corinna Harfouch gleich ihr ganzes Leben in Frage stellt und ausgerechnet beim Sohn Bestätigung für den Fehler des falschen Partners sucht, gehört zu den behutsam eingestreuten klugen Beobachtungen einer tief verunsicherten Gesellschaft, die sich unter dem Diktat der Selbstverwirklichung selbst im Privaten einem fatalen Erfolgsdruck aussetzt. Weswegen Ausgeglichenheit auch nicht gerade zu den Stärken der mehr als glaubwürdig besetzten Figuren zählt. Schwankend und voller Zweifel stolpern sie über die eigenen überzogenen Ansprüche an die Liebe, die immer dort aufzuleuchten scheint, wo sie gerade nicht sind. Brüggemann fängt die kleinen inneren Dramen mit einer großen Portion Selbstironie und Mitgefühl für die Schwächen der anderen ein, bis zu gänzlich unwahrscheinlichen Handlungssträngen, wenn sich zwei der gerade mal liierten WG-Helden auf dem Weg zu einer Almhütte zufällig über den Weg laufen, um ihren leiblichen Vater zu treffen. Der hatte die jeweiligen Mütter mit der Erziehung allein gelassen, durchaus in dem Glauben, sie hätten es als emanzipierte Walküren so gewollt. Zwischendurch gelingen Momente atmosphärischer Intensität, unterlegt mit introvertierter Musik, bildstark inszeniert als clipartiges Stimmungsbild. Ein erstaunlich optimistisches Feel-Good-Movie mit einer ebenso schlichten wie entwaffnenden Botschaft: Lacht kaputt, was euch kaputt macht.
Alexandra Wach
Dieser Text ist zuerst erschienen in: film-Dienst
Zu
diesem Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
3 Zimmer/ Küche/ Bad
Deutschland 2012 – Regie: Dietrich Brüggemann – Darsteller: Jacob Matschenz,
Katharina Spiering, Anna Brüggemann, Alexander Khuon, Robert Gwisdek, Alice
Dwyer, Aylin Tezel, Amelie Kiefer – FSK: ohne Altersbeschränkung – Länge:
110 min. – Start: 4.10.2012
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