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12
Meter ohne Kopf
Ein
Männerding
Der
Film "12 Meter ohne Kopf" sprüht so sehr vor Ideen, dass man
ihm seine deutsche Herkunft fast nicht glauben kann
Es
ist nicht viel, was wir über Klaus Störtebeker wissen, so viel aber
schon: Er hat seine Mannen wohl kaum mit der Parole „Fick’ die Hanse!“ zum Beutezug
antreten lassen. Genauso wenig wie zu seiner Zeit, also um 1400, hanseatische
Bürger eine „umfassende Konsolidierung der Staatsfinanzen“ forderten oder
sich über Konjunktur und Außenhandelsdefizit Sorgen machten. Und
ganz ausgeschlossen ist es, dass Piratenkapitän Klaus den Unzufriedenen
in seiner Mannschaft mit basisdemokratischen Ansätzen begegnete nach dem
Motto: „Du sagst uns jetzt frei heraus, was dich nervt und was du Scheiße
findest!“ Der so Angesprochene reagiert im Übrigen auch dementsprechend
erschrocken.
Dass
das alles – und noch viel mehr! – in Sven Taddickens Piratenspektakel „12 Meter
ohne Kopf“ vorkommt, mag zunächst nach billiger Historienklamotte klingen,
entpuppt sich aber als das glatte Gegenteil. Zusammen mit seinem Drehbuchautor
Matthias Pacht ist Taddicken hier nämlich das Kunststück gelungen,
die wichtigsten Zutaten eines Abenteuerfilms alter Schule, Männerfreundschaft,
Männerwitze, Männeraction, mit dem musikalischen „Drive“ jugendlicher
Gegenwartssprache, viel norddeutsch-trockenem Humor und Musik von The Clash,
The Thermals und Johnny Cash auf absolut schlüssige Weise zu verbinden.
Herausgekommen
ist eine so stimmige Mischung, dass man am Ende fast davon überzeugt ist,
dass alles doch so oder wenigstens so ähnlich gewesen sein mag, bei Klaus
und seinem Kumpel Gödeke Michels damals auf der Nord- und Ostsee?… Und
das gilt nicht nur für die hier angebotene Version des titelgebenden Laufs
von 12 Metern ohne Kopf. Dabei haben sich die Filmemacher nach Freibeuterweise
am historischen Stoff bedient: Hauptfigur ist weniger Störtebeker als vielmehr
sein Freund und Adjutant Gödeke Michels. Ihn „entlarvt“ der Film als die
treibende Kraft eines erfolgreichen Männerduos, das sich bestens ergänzte.
Mit
Ronald Zehrfeld und Matthias Schweighöfer kommen zwei Schauspieler zusammen,
die eine solche Harmonie der Gegensätze bestens verkörpern. Der ehemalige
Judoka Zehrfeld gibt Störtebeker als gelassenen, selbstbewussten Macho,
der sich kaum anstrengen muss, um Autorität zu erlangen, sich aber auch
als überraschend verwundbar erweist. Matthias Schweighöfer dagegen
stattet seinen Gödeke Michels sowohl mit jugendlicher Begeisterungsfähigkeit
als auch mit deren narzisstischer Kehrseite, der Rücksichtslosigkeit, aus
– und jeder Menge Selbstzweifel hinter der großen Schnauze.
Die
Filmhandlung setzt mit den Vorbereitungen zur legendären Hinrichtung ein,
um dann ein Jahr zurückzuschwenken: Klaus in der Krise; ein Messerstich
hat ihn fast das Leben gekostet. Als er sich bei der nächsten Attacke unter
Deck zurückzieht, rennt ihm Michels nach: „Hast du etwa Schiss?“ Oh ja,
so kann man das auch sagen. Gott sei Dank spielt ihnen der Zufall bald eine
Kanone in die Hände, die sie waffentechnisch anderen Schiffen überlegen
macht.
Bis
das „Ermittlerduo“ Lange und Schocke (Alexander Scheer und Milan Peschel) sich
ihnen an die Fersen heftet und in bester CSI-Manier aus den Einschusslöchern
diverser Planken das Kaliber rekonstruiert und nachbaut. In weiteren Kurzauftritten
glänzen Devid Striesow als Hansevorstand und Detlev Buck als Waffenhändler.
Außerdem gibt es da noch zwei schöne Frauen, die ebenfalls großen
Einfluss auf die Handlung nehmen… Kurzum, hier wurde so wenig mit Ideen aller
Art gegeizt, dass man kaum glauben kann, in einem deutschen Film zu sitzen.
Barbara
Schweizerhof
Dieser
Text ist zuerst erschienen im: Freitag
12
Meter ohne Kopf
Deutschland
2009 – Regie: Sven Taddicken – Darsteller: Ronald Zehrfeld, Matthias Schweighöfer,
Jana Pallaske, Milan Peschel, Devid Striesow, Franziska Wulf, Hinnerk Schönemann,
Oliver Bröcker – Prädikat: wertvoll – FSK: ab 12 – Länge: 102
min. – Start: 10.12.2009
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