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127
Hours
Aussichtslose Situation: Danny Boyle möbelt in "127 Hours" eine Geschichte auf, deren Held mit einem Arm eingeklemmt ist.
Man durfte gespannt sein, wie der erfolgsverwöhnte britische Regisseur Danny Boyle mit der Bürde von acht Oscars für "Slumdog Millionaire" umgeht. Sein neuer Film scheint zunächst alles anders zu machen. Statt in einer wimmelnden Metropole spielt "127 Hours" in einem einsam gelegenen Canyon in Utah. Und statt der epischen Anlage einer Lebens- und Liebesgeschichte ist er um eine einzige Figur in klaustrophobischer Enge gebaut.
James Franco spielt den ruhelosen Freestyle-Bergsteiger Aron Ralston, der ohne Aussicht auf Rettung in einem schmalen Felsschacht gefangen ist. Sein rechter Arm ist von einem plötzlich heruntergefallenen Steinbrocken eingeklemmt. 127 Stunden wird es dauern, bis er sich schließlich befreien kann. Mithilfe eines kleinen Messers amputiert er sich selbst den Arm – eine Operation, die der Film ausführlich zeigt.
Die minimalistische Konstellation, die auf einer wahren Begebenheit beruht, fasst Boyle als Herausforderung an sein auf maximalistische und extravagante Effekte ausgelegtes Kino auf. Seine Inszenierung komprimiert die 127 Stunden dauernde hoffnungslose Situation auf 90 intensive Minuten, von denen kaum eine ohne atemberaubende Effekte und hektische Schnitte auskommt. Das existenzielle Kammerspiel in der Steinwüste ist komplett von Boyles Postproduktionsmanie bestimmt.
Wie eine Reaktion auf den Horror vacui drückt Boyle dem Film mit zahlreichen künstlerischen Einfällen, rasanten Einschüben, kitschigen Rückblicken und poppigen Naturbildern immer wieder seinen unverkennbaren Stempel auf. Die Tonspur wummert oder kommentiert ironisch mit Popsongs, die oft in Split-Screens montierten und von zwei Chef-Kameramännern mit unterschiedlichen High-Definition-Ästhetiken aufgenommenen Bilder wetteifern, hektisch um die Aufmerksamkeit des Zuschauers. Das unaufhörliche Aufgebot an Originalität misstraut dabei allerdings sowohl der dramatischen Situation als auch James Francos bewundernswertem schauspielerischen Vermögen, den selbstgefälligen Übermut, die brutale Verzweiflung, den zynischen Sarkasmus und den selbstüberwindenden Trotz des Bergsteigers darzustellen.
Michael Baute
Dieser Text ist zuerst erschienen im: tip Berlin
127 Hours
OT: 127 Hours
USA/Großbritannien 2010 – 89 min.
Regie: Danny Bolye – Drehbuch: Simon Beaufoy, Danny Boyle – Produktion: Christian
Colson, Danny Boyle, John Smithson – Kamera: Anthony Dod Mantle, Enrique Chediak
– Schnitt: Jon Harris – Musik: A.R. Rahman – Verleih: 20th Century Fox – FSK:
ab 12 Jahre – Besetzung: James Franco, Amber Tamblyn, Kate Mara, Clémence
Poésy, Kate Burton, Lizzy Caplan, Treat Williams, John Lawrence, Darin
Southam, Norman Lehnert, Jeffrey Wood
Kinostart (D): 17.02.2011
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