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Zombie
–
Dawn of the Dead
Vier Überlebende vs. eine Zombiearmee in
der Shopping Mall. Satirisches Horrormeisterwerk von George A. Romero.
Die Erdbevölkerung ist von der Auslöschung
bedroht – die Zombies, Untote, deren Biss Menschen zu ihresgleichen werden lässt,
nehmen rapide zu: Nur ein Schuss ins Hirn oder das Abtrennen des Kopfes kann
sie stoppen. Während in den letzten paar betriebsfähigen Fernsehsendern
ununterbrochen konfuse Notprogramme laufen, liefern die letzten Überlebenden
ein Rückzugsgefecht. Militär und Sondereinheiten versuchen die Zombies
auszulöschen, müssen aber vor der exponentiell wachsenden Übermacht
kapitulieren. Vier Personen (Ken Foree, David Emge, Scott H. Reiniger, Gaylen
Ross) gelingt die Flucht im Hubschrauber aus der verseuchten Stadt – doch der
Überlandflug lässt sie auch außerhalb der Ballungszentren überall
nur Untote entdecken. Eine Raststätte finden sie schliesslich in einer
Shopping Mall, in der nicht nur Vorräte und Waffen, sondern auch ein Heer
von Zombies auf sie wartet. Mit dem Vorteil der Intelligenz gelingt es dem Quartett
aber, sich einen sicheren Platz abzustecken und die Widersacher in absperrbare
Räume zu locken. Doch nicht alles läuft reibungslos – beim Versuch,
auch den Eingang zur Mall mit Lastern zu blockieren, wird ein Mitglied des Teams
gebissen. Und als eine Gruppe umherziehender Motorradrocker die Mall einzunehmen
versucht, sieht sich das verbleibende Trio mit einer noch größeren
Gefahr konfrontiert.
Zwei große amerikanische Regisseure prägten
Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger irgendwo zwischen Horror und Komödie
entscheidend mit, was der gern als "Schund" verkannte Exploitationfilm
in den nächsten Jahrzehnten leisten würde: John Waters und George
A. Romero. Gemeinsam war ihnen auch das Filmen von billigen Produktionen ausschließlich
in der Heimatstadt: Während Waters in Baltimore die Grenzen des schlechten
Geschmacks satirisch erweiterte, arbeitete Romero in Pittsburgh an der sozialen
Dimension des Horrorfilms – irgendwo zwischen dokumentarischen Mitteln und heftigen
Schocks zeichnete sein genialisches Debüt Die
Nacht der lebenden Toten ein
düsteres Amerikabild in Zeiten von Vietnam: In einer gnadenlos schäbigen
Atmosphäre kämpfte ein Trüppchen isolierter Helden gegen Zombies
ums Überleben, bevor am Schluss die Todestrupps der Regierung alles dem
Erdboden gleichmachten. Romeros Klassiker wurde rasch zu einem der ersten Mitternachtskulte,
und obwohl Romero sich im nächsten Jahrzehnt in allesamt sehenswerten Arbeiten
auf recht vielfältige Weise zwischen Horror und unabhängigem Kino
mit den Defekten der amerikanischen Gesellschaft beschäftigte, ist sein
Name bis heute vor allem mit der "Zombie"-Trilogie verbunden. Nach
längerer Produktion (gedreht wurde nach Sperrstunde und an Wochenenden
in der wirklichen Monroe Shopping Mall) stellte er 1978 die Fortsetzung Dawn Of the Dead
(auf deutsch trotz des Fortsetzungscharakters schlicht Zombie) fertig, seinen vielleicht besten und vielschichtigsten
Film. (Day Of The Dead, der in den 80ern verfasste dritte Teil, stellte
in gewisser Hinsicht einen Rückschritt dar.)
Das Einzigartige an Romeros Kino ist, dass trotz
aller blutigen Momente und hervorragend inszenierter Suspense-Szenen sein düsterer
Ausblick auf die Menschheit an sich den wirklich erschreckenden Subtext ausmacht
– als Regisseur hingegen ist er sich sowohl des Einschlags von Gewalt wie auch
der Lächerlichkeit von Splatter bewußt. Konsequenterweise setzte
er mit diesem Film zwar (zumindest für die damalige Zeit) einen neuen Rekord
an Leinwandgemetzel, stilisierte dieses aber bis zum Anschlag – Dave Kehr bezeichnete
seine Blutspritzer einmal als die Bilder eines "shotgun Jackson Pollock".
Das Grauen lauert woanders als in der bloßen Bedrohung durch mühselig
vorwärtskriechende, instinktgetriebene Kreaturen. Und so erweist sich die
anfängliche Auslöschung eines Zombieheeres in der Großstadt
als heimliche Irreführung: Trotz ihrer ungelenken Bewegungen und ihres
leeren Blicks stellen die Zombies zu Beginn noch eine wirkliche Gefahr dar.
Romero interessiert dabei aber neben ein paar souverän absolvierten Spannungsszenen
schon mehr das Bild einer Welt im Chaos: Um zu überleben, heißt es
moralische Bedenken aus dem Weg zu räumen. Ein Wissenschaftler verlangt
in der eröffnenden, hektischen Notübertragung im Fernsehen die völlige
Vernichtung aller Zombies, unabhängig davon, ob sie vorher Verwandte oder
Geliebte gewesen seien – nur durch völlige Auslöschung könne
man ihren überhandnehmenden Zuwachs stoppen. Die Aussage (wie einige später
in einer weiteren Fernsehsendung von einem anderen Wissenschaftler geäußerten,
sprechen sie von der verzweifelten Logik der Totalvernichtung, die auch am eiskalten
Ende von Die Nacht der lebenden Toten
stand, und der Romero mit dem genau
zwischen diese zwei Zombiefilme fallenden The
Crazies ein satirisches Denkmal setzte)
löst heftige Kontroversen aus – die verständliche Entrüstung
über den scheinbar unmoralischen Vorschlag verpufft beim Zuseher aber baldigst
angesichts des folgenden Massakers, bei dem sich Soldaten im Übereifer
auch gegenseitig abschießen, und ein junger Rekrut (wie ein schwaches
Echo) angesichts seines Tötens einer menschenähnlichen Kreatur und
der verzweifelten Lage nur noch im Selbstmord einen letzten Ausweg sieht.
Diese Wendung ist typisch für Romeros Film (der
sich in der Zuschauermanipulation als Hitchcock ebenbürtig erweist, aber
womöglich ein noch düstereres Bild der Menschheit malt): Der Horroraspekt
liegt nicht im Schrecken, sondern in der Leichtigkeit, mit der Romero die Zuschaueridentifkationen
wechseln lässt. Kurz nach der überhasteten Flucht sehen die Helden
etwa eine gemütliche Versammlung von Heer und Rednecks, die ankommende
Untote als willkommene Abwechslung in den Schießübungen begreift:
Die eben noch bedrohlichen Zombies sind lächerlich geworden; etwas, was
sich im Laufe des Films mehrfach wiederholen wird – mit bestürzender Leichtigkeit
lässt Romero den Zuschauer die angeblichen Titelhelden abwechselnd als
Gefahr, Witzfiguren oder völlig bedeutungslos erscheinen (zu Anfang der
zweiten Hälfte verschwinden sie für einen längeren Zeitraum fast
gänzlich aus dem Film).
Dabei ist das nur eine Hälfte von Dawn Of The Dead.
Hier kommen zwei schmutzige Fantasien zusammen: Gemetzel und Einkauf, beides
en gros. Bei der Ankunft in der Shopping Mall, in der vier Fünftel des
Films spielen, blicken die Protagonisten durch ein Fenster auf die in einförmigem
Schneckentempo durch die Gänge und Boutiquen stolpernden Zombies. "This
must have been an important place in their lives", sagt die schwarze Hauptfigur
(Zombie
teilt die zentralen Figuren mit seinem Vorgänger: ein Schwarzer, zwei weiße
Männer und eine weiße Frau, die Konflikte in der Gruppe spiegeln
immer wieder auch rassische und geschlechtliche Ungleichheiten). Zu puren Instinktkreaturen
verkommen, schleppen sich die Untoten sinnlos durch eine nutzlose Einkaufswelt.
Den Konsumrausch ausleben können dann die Helden. Romero bleibt sich der
Zweischneidigkeit bewusst: Ebenso wie der Kampf um die Mall sprungartig den
Tonfall wechselt – eben noch kämpft die Vierergruppe verzweifelt gegen
das feindliche Heer, bald darauf decken sie sich in einem NRA-Wunschtraum mit
Waffen und Munition ein und fetzen zum Vergnügen durch die Gänge,
unter Jubelrufen die leichten Ziele abballernd, changiert der unbegrenzte Zugang
zu den Waren zwischen Euphorie und Sinnlosigkeit. (Einmal kommt beides zusammen,
als sich einer der Vier statt an den echten Zielen an einem Spielautomat im
Abschießen übt.) So nehmen sich die Helden neben Köstlichkeiten
und Werkzeug auch längst bedeutungslos gewordenes Geld aus der Kasse ("You
never know", sagt einer von ihnen), das sie dann beim Kartenspielen wie
wertlose Jetons benutzen.
Dawn Of The Dead
ist voll solcher irritierender Details, die oft für sich genommen nur komisch
wirken, im Rückblick aber das ambivalente Meisterstück eines großen
Satirikers aus dem Film machen: Konsequenterweise ist die härteste Auseinandersetzung
im Film nicht eine gegen Zombies, sondern nur zwischen Menschen – die in der
jetzt herrschenden Anarchie mit sichtlichem Vergnügen raubenden und mordenden
Motorradrocker (unter Führung von Special-Effects-Meister Tom Savini) stellen
den wesentlich gefährlicheren Feind dar, in der resultierenden Todesorgie
verschwimmt die Identifikation endgültig – die wieder zurückgekehrten
Zombies erweisen sich gleichzeitig als Helfer wie Gegner der Helden, die stattfindende
Blutorgie als Mischung aus bösartiger Gemeinheit und Slapstick (was, wie
oft im Film, gleichzeitig stattfinden kann: Ein Rocker wird von den Zombies
zerfleischt, während er ein Blutdruckmessgerät ausprobiert, Romero
beobachtet lakonisch die Anzeige beim Sinken).
Auch innerhalb der Gruppe bleiben die Beziehungen
stets wechselnd – manchmal herrscht ein Führungskampf, dann ist wieder
gegenseitige Unterstützung vorrangig. Mit derselben Leichtigkeit, mit der
Romero den Zuschauer in die Gewalt gezogen hat, lässt er den Status der
Figuren in konstantem Wechsel. Als der Gebissene nach ein paar letzten Tagen
als "Held" (Romeros dunkle, verlockende Fantasie kennt eigentlich
keine Helden, nur ein wechselndes Sein als Opfer und Täter, ähnlich
wie der Zuschauer abwechselnd zur Identifikation eingeladen wird, um den gleichen
Vorgang nochmal als Parodie zu durchleben) unter der Bettdecke zum Zombie wird
und sich mit bleichem, leerem Gesicht langsam aufsetzt, nur um vom bisherigen
Genossen mit einem Schuss getötet zu werden, sehen die beiden anderen demonstrativ
weg: Ein letztes Klammern ans Menschsein, wo es keines mehr gibt.
Nicht nur, dass in Romeros Film die Menschen nur
das ausleben, was die Zombies wollen (und ihr Gehirn für überlegene
Planung, aber nie moralische Urteile benutzen – Romero sieht darin nur die Fortsetzung
einer Gesellschaft ohne Moral), macht den eigentlichen Gehalt dieses großen
Films der 70er aus (als abwechselnd komisches und spannungsgeladenes Genrestück
ist er ohnehin eine Klasse für sich); letztendlich ist der Zuschauer das
eigentliche, glückselige Opfer dieses Werks – Romero ermutigt und frustriert
ihn abwechselnd, bis am Schluss nur noch die überdrehte, zynische Identifikation
zurückbleibt: Ein Jonathan Swift des satirischen Horrorspektakels findet
den Zenith seines Schaffens in einem zutiefst menschenfeindlichen Werk zur Weltverbesserung.
Fazit: Ein Meisterstück als Horrofilm, als Satire
und in der Zuschauermanipulation: Die Mutter aller Zombiefilme.
Christoph Huber
Dieser Text ist zuerst erschienen bei: www.allesfilm.com
Zu diesem
Film gibt’s im archiv der filmzentrale mehrere
Texte
Zombie
ZOMBIE – DAWN OF THE DEAD
USA – 1977 – 118 (Video: 110) min. Verleih: Neue Constantin
– Marketing/Astro (Dominik) (Video) – Erstaufführung:
2.8.1979/1981 Video – Produktionsfirma: United Film/Dario
Argento/Alfredo Cuomo – Produktion: Richard P. Rubinstein
Regie: George A. Romero
Buch: George A. Romero, Dario Argento
Kamera: Michael Gornick
Musik: Dario Argento, The Goblins
Schnitt: George A. Romero, Kenneth Davidow, Dario Argento
Darsteller:
David Emge (Stephen)
Ken Foree (Peter)
Gaylen Ross (Francine)
David Early (Mr. Berman)
Scott H. Reiniger (Roger)
David Crawford (Dr. Foster)
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