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The
Absent
Beim
Vorstellungsgespräch hat Julia kein Glück. Qualifikationen und Erfahrung
hat sie genug, doch die Firma bevorzugt jüngere Leute, Leute, die sich
noch formen lassen. Sechs Monate später zieht sie mit ihrem Mann Samuel
und dessen zwei Söhnen aus früherer Ehe weg aus Madrid, in die Suburb.
Doch bald fühlt sich Julia, die früher bereits in psychiatrischer
Behandlung stand, unwohl in ihrem neuen Umfeld. Katzen versammeln sich dutzendweise
im Garten und nirgendwo sieht sie einen Menschen. Immer stärker wird ihr
Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmt.
Der Konflikt, den der Film aufbaut, entsteht aus den alltäglichen Spannungen innerhalb der Familie. Samuel verliert zunehmend die Geduld gegenüber seiner psychisch labilen Frau und der ältere Sohn Felix begegnet seiner Stiefmutter, die vergeblich um Autorität und Anerkennung ringt, mit unverhohlener Ablehnung. Die gespaltene Familie führt zu einer Spaltung des Blickes: Julia sieht die Welt, die sie umgibt, aus den Fugen geraten, Samuel und Felix sehen, wie ihre Ehefrau/Stiefmutter vollends den Verstand verliert. Zwischen diesen Blicken, also auch zwischen metaphysischer und psychologischer Deutung des Geschehens, gefangen sind wir, die Zuschauer. Aus Julias Perspektive sehen wir die Videoüberwachungszentrale des Hauses, die Straßen, die Vorgärten, den Supermarkt. Sehen alles ausgestorben, menschenleer, gespenstisch (wobei die Kamera das ihrige tut, die unheimliche Vertrautheit der Schauplätze zu betonen) und trauen unseren Augen nicht. So viel besonnener und rationaler scheinen die Erklärungen von Samuel und Felix. Wird das Heimische unheimlich, weil Julia nicht zuhause ist in ihrem neuen Haus oder ist es vielleicht der Geist ihrer Vorgängerin, der übermächtig ist, wie für Hitchcocks Rebecca?
Julias Blick und die Inszenierung führen uns tiefer und tiefer hinein – ins Genre. Aus dem enervierten Ehemann und dem aufbegehrenden Stiefsohn werden spritenzückende, samuraischwertschwingende Monster. Bei der Zuspitzung der Ereignisse schreckt der Film vor Wackelkameraverfolgungsjagden und einem Hauch Pathos nicht zurück. Mag man auch relativ früh erahnen, dass der Film so oder so ähnlich ausgeht wie er ausgeht und in den letzten Jahre ziemlich viele Filme gesehen haben, die so – oder so ähnlich – ausgingen, so bietet die Auflösung doch Geradlinigkeit anstatt unzähliger plot twists. Ausentes ist sicherlich kein Geniestreich und das will er auch nicht sein. Es ist ein Genrefilm. Stimmig und spannend, gut gespielt und gefilmt.
Nicolai Bühnemann
The
Absent
Ausentes
Spanien
2006; ca. 91 Min.; Regie: Daniel Calparsoro; Drehbuch: Daniel Calparsoro, Ray
Loriga, Elio Quiroga; Produzent: Juan Alexander; Darsteller: Adriana Gil, Jordi
Mollá, Nacho Pérez, Omar Muñoz, Mar Sodupe.
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