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Ten
Skies
13
Lakes
Die Willkür
des Windes
Man wünscht sich, auch im richtigen Leben
die sichtbare Welt so wahrzunehmen: "Ten Skies" und "13 Lakes"
von James Benning geben der Zeit und der Ferne ihre Aura wieder. Man verliert
sich in Wasserflächen und barocken Wolken
Nicht zu früh aus dem Kino laufen: Der zwölfte
See hat es in sich! Für jeden der dreizehn Seen, die James Benning in "13
Lakes" in je einer einzigen Einstellung zeigt, nimmt er sich genau zehn
Minuten Zeit. Noch nachhaltiger wird die natürliche Überlegenheit
des Dezimalsystems in "Ten Skies" demonstriert: zehn Himmel à
zehn Minuten.
Bei der in den letzten Berlinalen präsentierten
"California Trilogy" hatte Benning noch jedem Bild zweieinhalb Minuten
gegeben. Das führte zu einer nicht ganz optimalen inneren Zeit: Man gewöhnte
sich an einen Rhythmus. Das Prinzip der Abwechslung und ihrer Erwartung übt
noch sein unruhiges Regime aus. Bei zehn Minuten ist das ganz anders. Wenn irgendwann
nach einer dem inneren Erleben unbegrenzten Zeit das Bild plötzlich vorbei
ist, ist man nachgerade überrascht, fällt buchstäblich aus allen
Wolken. Das hätte gerne ewig so weitergehen können: wie die dem See
gegenüberliegende Bergkette nach und nach in honigfarbenes Licht getaucht
wird.
Benning hat in der "California Trilogy"
Natur und Naturbeherrschung, Agrikultur und Ausbeutung immer in enge Zusammenhänge
gestellt. In "13 Lakes" ist Menschenwerk meist fern, aber nie aus
der Welt. In See Nummer 3 etwa durchpflügen kleine Rennmotorboote in großen
Bögen den wilden Wüstensee; beim perfekt eine Berglandschaft spiegelnden
zwölften See peitschen Schüsse die goldenen Wälder. Für
die "Ten Skies" hat Benning eh nicht mit O-Ton gearbeitet, die Schüsse
kann man da wieder hören. Die Arbeitsteilung zwischen reiner Gestalt aus
Wolken am Himmel und Welt indizierenden Geräuschen langweilt aber eher
als das Ineinander von Gesehenem und Gehörtem, das einen bei "13 Lakes"
beschäftigt. Neben vielen anderen entspannten Reflexionen. Weder kommt
Erhabenheitsästhetik hier auf noch das mulmige Gefühl, zum Meditieren
angestiftet zu werden. Man wünscht sich auch im richtigen Leben ein Vehikel,
das einem die sichtbare Welt so und in diesem Tempo zeigt.
Die Seenkette folgt einem Kompositionsprinzip. Sie
werden in der Bildmitte entweder von der natürlichen oder einer anderen
Horizontalen halbiert – etwa einer endlosen Autobrücke -oder durch das
Aufhören einer von Eismatsch bedeckten und den Beginn der getauten, frei
beweglichen Wasserfläche. Damit ist der Betrachter aber schon in einen
Bildaufbau verwickelt, der ein Denken in Richtungen und Segmenten antriggert.
Man verliert sich gerne in Hälften und Vierteln. Der Eismatsch und sein
psychedelisches Pulsieren haben mich doch glatt von dem Frachter abgelenkt,
der die obere Bildhälfte relativ zügig durchmessen hat. Nur kurz vor
seinem Verschwinden konnte ich ihm noch hilflos hinterhersehen, bis der Matsch
mich wieder hatte.
Anders die Wolken. Hier hält einen nichts an
den Gegebenheiten des Bildes als dessen Willkür. Der Wind weht bekanntlich,
wohin er will, und von Bildkomposition war bei vielen Himmeln gar nicht zu reden.
Da änderte sich oft der komplette Charakter in kurzer Zeit. Das Einzige,
was konstant blieb, war der Stil: des Wetters, der Fotografie und der Tageszeit.
Daher findet sich in meinen Notizen zu den Himmeln seltener eine Beschreibung
der Himmelsereignisse als vielmehr kunsthistorische Gedächtnisstützen:
"niederländisch-barock", "pittura metafisica", "Gilbert
& George" und natürlich "Turner".
An Wolken üben sich die Maler seit dem 15. Jahrhundert,
und andere sehen alles Mögliche in die himmlische Morphologie hinein: Pudel,
Schlangen und einen stolzen Zackenbarsch, der sich langsam in ein trauriges
Ferkel verwandelt. Nur einmal, als aus dem Arsch eines auf dem Rücken liegenden
Goldhamsters der Kondensstreifen eines Verkehrsflugzeuges hervorschoss, war
was los am Himmel. Wunderschön war der Wolkenfilm indes auch. Unsere Neigung,
die oft ohne Figur und Grund gebauten Bilder immer tendenziell ins Zweidimensionale
zu schieben, wurde kundig bespielt: etwa wenn eine graue, sich langsam im Morgenlicht
auflösende Struktur plötzlich aussieht wie zwei mit flachen Wolkenbildern
bepinselte Glasscheiben, die aneinander vorbeigeschoben werden.
Diedrich Diederichsen
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
13
Lakes
USA
2004
Regie:
James Benning
Dt. Start: 31.08.06
Ten
Skies
USA
2004
Regie:
James Benning
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