zur startseite
zum archiv
Dogtown
& Z-Boys
Zurück zum
Asphalt
Stacy Peralta war einst Skatepunk im Los Angeles
der 70er-Jahre. Seine Zeit als Rollbrett fahrender Dropout hat er in seiner
grandiosen Dokumentation "Dogtown & Z-Boys" wieder ans Licht geholt
Vom Weltall aus betrachtet erlangen die Ereignisse
von Dogtown, dem letzten "oceanside slum" im Los Angeles der Siebzigerjahre,
noch mal eine viel weitreichendere, universalistische Bedeutung. Von da draußen
muss sich die Kamera erst einmal heranarbeiten, um im Zoom der Wahrnehmung (aus
Satellitenperspektive nämlich; und bis zum Schluss werden wir hier nicht
mehr als Beobachter eines Initiationsspektakels sein) zum Kern der Sache vorzudringen:
Struktur, Feinstruktur, Mikrostruktur. Nanostruktur. Dogtown. Zwischen dem phänomenologischen
Blick des Dokumentaristen und dem mythifizierten des Insiders pendelt Stacy
Peralta mit seiner Doku "Dogtown & Z-Boys" permanent, und dieser
Spagat würde wohl nicht halb so gut funktionieren, wenn Peralta nicht über
solch ein fantastisches Archivmaterial verfügte, anhand dessen sich seine
Geschichte fast wie von selbst erzählt: die Geburtsstunde der kalifornischen
Skatepunk-Bewegung Mitte der Siebzigerjahre.
Jede Jugendszene der letzten 50 Jahre (anders gesagt
also: seit die Codes von Jugendkulturen in die identitätsstiftende Zeichensprache
der Jugendkulturindustrie übersetzt werden) hat sich in ihrer kulturellen
und ästhetischen Devianz immer auch als radikale Gegen-Avantgarde zum gesellschaftlichen
Kanon geriert; Methoden der Abgrenzung und Neufindung strukturieren die Erzählung
dieser subkulturellen Märchen, die selten länger waren als eines der
Brüder Grimm. Die ruinöse Stadtlandschaft zwischen Santa Monica und
Venice in den frühen Siebzigern lieferte den sozialen Hintergrund für
die Entstehungsgeschichte der Z-Boys, einer Gruppe größtenteils minderjähriger
Surf-Punks, die sich entlang eines heruntergewirtschafteten kalifornischen Küstenstreifens
ihr eigenes "Dead Wonderland", wie es der Journalist Craig Stecak
im Film nennt, geschaffen hatten.
Der bis in den Ozean gebaute Pacific Ocean Park war
das Herzstück einer in den Fünfziger-/Sechziger Jahren errichteten
Vergnügungsmeile gewesen, die sich im darauffolgenden Jahrzehnt bereits
wieder als Geisterstadt am Strand erstreckte. Drop-Outs, Hippies, Junkies, Obdachlose
und das Zephyr Surf Team okkupierten diesen Strand für einige Jahre: eine
"gefährliche symbiotische Disharmonie". Mitunter aber auch Nährboden
für intakte Subkulturen. Irgendwann hatten die Z-Boys die Idee, sich hochwertige
Hartgummiräder unter ihre selbst gebastelten Rollbretter zu schrauben und
die Betonwellen der fehlgeplanten "corporate structure" zurückzuerobern.
Skateboarding als Architekturkritik.
"Dogtown & Z-Boys" ist weniger Dokumentation
als definitives Testament der Goldenen Skate-Ära, das dem Tonfall von Craig
Stecaks Surf/Skate-Reportagen aus den Siebzigern formal grandios nachempfunden
wurde. Das überrascht nicht: Stacy Peralta war Mitglied der Z-Boys, und
Stecak, der am Drehbuch zu "Dogtown" gearbeitet hat, so etwas wie
der Hunter S. Thompson der Dogtown-Skate-Szene; ein echter Kamikaze-Schreiber.
Der Film lebt von seinem schrillen, scheinbar unerschöpflichen Repertoir
an 70er-Jahre-Images, in denen die revoltierenden Skate-Kids noch aussahen wie
ein verwahrloster Brady Bunch, während Black Sabbath, The Stooges und Alice
Cooper gerade den Übergang vom Hardrock zum Punk geebnet hatten.
Peraltas ruppiger Umgang mit Bildmaterial entspricht
dem gehetzten, anekdotischen Rhythmus seiner Kolportage: zerkratzte, überbelichtete
16-mm-Aufnahmen von illegalen "Pool-Partys" in leer gepumpten Hinterhof-Schwimmbecken,
verblasste Negativ-Fotostrecken, über die immer wieder die Blicke wandern,
Zooms in grobkörnige Amateurfotografien, dazwischen eingestreut kurze "Rewind"-Sequenzen
– sehr street, sehr hip. Selbst Sean Penn gönnt sich in seiner Erzählerrolle
einen wohlplatzierten Aussetzer. Wenn Peralta und Punk-Fotochronist Glen Friedman
("Fuck you Heroes") unmissverständlich klarstellen wollten, wie
ein Lebensgefühl von Punk auf der Fallhöhe von The
Face, I-D
und Dazed
and Confused zumindest ästhetisch
vermittelbar bleiben kann, haben sie mit "Dogtown & Z-Boys" einen
Standard gesetzt. Der Film rockt. Und unterstreicht furios das Credo der Z-Boys:
dass es vor allem darauf ankommt, immer gut auszusehen.
Andreas Busche
Dieser Text ist zuerst erschienen
in der taz
Dogtown
& Z-Boys
USA
2001 – Regie: Stacy Peralta – Darsteller: Jay Adams, Tony Alva, Bob Biniak,
Paul Constantineau, Shogo Kubo, Jim Muir, Peggy Oki, Stacy Peralta, Nathan Pratt,
Wentzle Ruml, Allen Sarlo, Jeff Ament – Fassung: O.m.d.U. – Länge: 97 min.
– Start: 15.8.2002
zur startseite
zum archiv