zur startseite
zum archiv
Detektive
Cool Cats in Mollywood
Uli Lommel, Uschi Obermaier,
1969: München sah selten lässiger aus als in Rudolf Thomes Debütfilm
"Detektive".
Zwischen den gespreizten Beinen
von Uschi Obermaier hockt Uli Lommel, einen Revolver in der Hand, das Ganze
schwarz-weiß: das Cover-Bild einer liebevollen 2-DVD-Edition von Rudolf
Thomes Spielfilmdebüt "Detektive" aus dem Jahr 1969. In der Tat
ist es eine Art Summe dieses Films "mit vielen schönen Frauen und
unheimlich lässigen Männern", wie Iris Berben es im Interview
auf der Extra-DVD zusammenfasst. Sie selbst ist eine der schönen Frauen,
sie war gerade achtzehn, lebte in Hamburg und hatte so gut wie keine Schauspielerfahrung,
als Uwe Nettelbeck, der damalige Filmkritikerstar, sie entdeckte, in sein Auto
steckte und zu den Dreharbeiten nach München kutschierte. Dort lungerten
schon Marquard Bohm, Uschi Obermaier und Uli Lommel herum sowie Rudolf Thome,
der unbedingt einen Film drehen wollte, der so sachlich, so einfach, so präzise
ist wie die Werke von Howard Hawks.
Die Handlung von "Detektive"
ist, dafür dass sie Nebensache ist, ganz schön kompliziert. Es geht
um Mordpläne mit Gift (und schönen Frauen), Detektivarbeit mit Knarren
(und schönen Frauen) und um Spiele über einfache und doppelte Banden
(natürlich mit schönen Frauen), im Grunde ein kompletter Krimiplot.
Das Eigentliche aber sind natürlich Gewehr und Revolver, die künstlich
einfachen Dialoge, das Rumstehen, Rumsitzen und Rumliegen in stilisierten Räumen,
die Cinemascope-Bilder, Uschi Obermaier und Iris Berben im Bikini, die Autofahrten
und zuallererst einfach die Existenz all dieser cool cats in München, das
hier nicht leuchtet, aber so entspannt jazzt und swingt, dass man nur staunen
kann.
Der ganze damalige Kreis um die
Regisseure Eckhart Schmidt, Klaus Lemke, Thome, Fassbinder und irgendwo im Hintergrund
auch Jean-Marie Straub), sie wollten, wie Uli Lommel erzählt, "Mollywood",
Klein-Hollywood in München. Max Zihlmann schrieb Drehbücher für
Lemke und Thome, Lommel spielte bei Thome und Fassbinder, Peter Berling schleppt
in Thomes Film Möbel und produziert Lemkes zweiten Film "Negresco"
(und Fassbinders "Whity").
Das sind alles Filme, mit denen viel anfängt im deutschen Kino, das sich
dann doch irgendwie anders weiterentwickelte, als man damals gedacht hätte.
In der wahrscheinlich hinreißendsten Dialogzeile des Films meint der von
Marquard Bohm gespielte – oder eher verkörperte, denn ein Schauspieler
war Bohm nicht – Detektiv Andreas: "Ich habe auch einmal zu Hoffnungen
Anlass gegeben, ich konnte mich nur nie entscheiden, zu welchen."
So war das eigentlich mit den
ganzen Mollywood-Streitern, die nicht zuletzt die Abneigung gegen den Oberhausener
Kunstfilm einte. Ziemlich bald machte dann aber jeder sein Ding, Fassbinder
wurde Fassbinder und ein großer Star und starb jung, und Lemke wurde Lemke
und bleibt uns als Ein-Mann-Guerilla, die auf alle Fördertöpfe spuckt,
bis heute erhalten. Zuletzt sah man ihn mit einem Protestplakat in diesem Frühjahr
beim Filmfest München, zu dem sein jüngster Film "Finale"
nicht eingeladen war. Dafür feierte dort Rudolf Thomes aktuelles Werk "Das
Sichtbare und das Unsichtbare" Premiere, nur haben seine späten Hannelore-Elsner-Beziehungsfilme
mit den hollywoodsüchtigen Anfängen nicht mehr so viel zu tun. Und
Uli Lommel ging in die USA, drehte Filme mit Andy Warhol, gründete ein seltsames Direct-to-Video-Imperium
und kehrte vor ein paar Jahren für den Daniel-Küblböck-Flop "Daniel, der Zauberer" sogar
kurz mal als Regisseur nach Deutschland zurück.
Man muss das alles erzählen,
weil ein Film wie "Detektive" einem so große Lust macht
auf diese Gegengeschichte des deutschen Kinos, die nur in manchen Teilen in
die offizielle Geschichte hineinragt. Ein frustrierter Uli Lommel, für
Iris Berben damals der schönste Mann Deutschlands, flucht im DVD-Interview
heute über die Achtziger- und Neunzigerjahre, die so überhaupt nicht
einlösten, was man sich damals, in den späten Sechzigern und frühen
Siebzigern, in München vom Leben und vom Kino, vom Leben als Kino und vom
Kino als Leben versprechen durfte. Aber wie glorreich diese Anfänge waren,
davon immerhin zeugt bis heute Rudolf Thomes Debütfilm.
Ekkehard Knörer
Dieser Text ist
zuerst erschienen in der: taz
Detektive (1969)
BR Deutschland – 1969 – 91 min. – schwarzweiß, Scope – FSK:
ab 18; nicht feiertagsfrei – Prädikat: wertvoll – Verleih:
Cinema Service – Erstaufführung: 23.5.1969 – Produktionsfirma:
Eichberg-Film – Produktion: Rudolf Thome
Regie: Rudolf Thome
Buch: Max Zihlmann
Kamera: Hubs Hagen, Niklaus Schilling
Musik: Kristian Schultze
Schnitt:Jutta Brandstaedter
Darsteller:
Iris Berben (Annabella)
Marquard Bohm (Andy)
Ulli
Lommel (Sebastian)
Chrissie
Malberg (Micky)
Walter
Rilla (Industrieller)
Die bei Arthaus erschienene 2-DVD-Edition ist für rund 20
Euro im Handel erhältlich
zur startseite
zum archiv