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Dem Himmel so fern

Far from Heaven ist ein neuer Farbfilm von Todd Haynes. Und mag die Redewendung vom “neuen Farbfilm” auch veraltet erscheinen, in Hinblick auf die schiere Farbenpracht dieses Werkes scheint der Begriff angemessener denn je. Kein Flecken Weiß scheint durch die deckenden Schichten bunten Dekors zu schimmern, kein Gegenstand, der sich nicht in Händen der Set-Designer zu einem Farbtupfen entwickelt hat. Grüne Polizeireviere, knallrote Autos, Studiofarben- und Kulissen allerorten, die ihre Künstlichkeit einem geradezu entgegenschleudern von der Leinwand herunter, um einen zu treffen, gemeinsam mit der Wucht der emotionalen Geschichte, die Haynes erzählt.

 

Die Erzählung stammt, leicht abgewandelt, von Douglas Sirk, der in All that Heaven Allows auch schon die Geschichte von der einsamen Frau erzählte, die sich in eine gesellschaftlich nicht akzeptierte Beziehung zu ihrem deutlich jüngeren Gärtner flüchtet. Auch Rainer Werner Fassbinder hat sich bereits an der Thematik versucht, er reinszenierte das Sirksche Melodram als bundesdeutsche Gesellschaftskritik: In Angst essen Seele auf beschrieb er den Leidensweg einer deutschen Putzfrau, die sich in einen jüngeren Marokkaner verliebt, in realistischeren, blasseren Tönen. Haynes erobert sich die Sirksche Buntheit zurück und platziert seinen Film wieder dort, wo die Geschichte einst entsprang, im amerikanischen Kleinstadtalbtraum der 50er Jahre. Und, wie könnte es anders sein in diesem Film der Farben, ist es hier die Hautfarbe des Gärtners, die der Frau das gesellschaftliche Genick bricht. Und natürlich ihre der Liebe zum Gärtner im Wege stehende Ehe, denn verheiratet ist sie auch noch. Dass ihr Mann sie nicht wirklich zu schätzen weiß, weil er eher dem eigenen Geschlecht zugetan ist, muss schließlich in Hinblick auf den zu wahrenden Schein verborgen werden.

 

Die Inszenierung einer Epoche macht einen Großteil des Charmes von Far from Heaven aus, der Film karikiert genüsslich in seiner Überzeichnung die Kitschexzesse der Zeit, die Form gewordene Spießigkeit des Menschen, die optische Vergegenständlichung familiärer Scheinidylle. Der Überfluss des Dekorativen ist schließlich auch das einzige äußerliche Anzeichen für die ansonsten internalisierten privaten Dramen der Protagonistin Cathy Whitaker (Julianne Moore), die mit ihrem stillen Leiden in bester Tradition melodramatischer Frauenfiguren des amerikanischen Films steht. Unglück um Unglück widerfährt ihr, die Seele der Frau wird zu einem Schlachtfeld persönlicher Katastrophen, doch statt die Konflikte nach außen zu projizieren, werden sie lediglich mental ertragen. Es ist wohl der Leistung von Julianne Moore anzurechnen, wie glaubhaft das Leiden der Heldin geschildert wird, trotz der bewusst künstlichen und damit auch manchmal distanzierenden Inszenierung.

 

Haynes setzt dabei die Hauptdarstellerin, ganz ähnlich wie Sirk, als Gefangene der sie umgebenden dinglichen Welt ins Bild. Der Fensterrahmen wird, von außen gesehen, zum Gefängnisgitter, der Fernseher, ein Produkt der Firma ihres Mannes, zum Symbol der Vereinsamung, auch – oder gerade – weil er nie benutzt wird und seine tiefschwarze, spiegelnde Bildröhre die Farben des Raumes verschluckt.

 

Gegen Ende des Filmes versucht das Paar seine Ehe mit einer gemeinsamen Reise zu retten, und als Miami als potentielles Reiseziel ins Spiel gebracht wird, ist Cathy sofort begeistert. Großartig, findet sie, denn ihre Freundinnen hätten ihr erzählt, in Miami sei alles pink. In diesem Satz wird die Überflüssigkeit der gemeinsamen Reise vorweggenommen, denn das letzte, was Cathy in Far from Heaven noch brauchen kann, ist eine weitere Farbe. Darum ist es auch konsequent, wenn man schließlich bemerkt, dass ausgerechnet das Auto der Heldin, dieses amerikanische Symbol für Freiheit und Unabhängigkeit, sich – beinahe – den Farben verweigert, weil es eben doch weiß ist. Mit hellblauen Streifen.

 

Benjamin Happel

 

Dieser Text wurde geschrieben für:  filmkritiken.org

 

Zu diesem Film gibt es im Archiv der filmzentrale mehrere Kritiken

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