Dead Man Walking
Susan Sarandon war es, die das auf authentischen Begebenheiten basierende
Buch, welches als Vorlage zum Film diente, ihrem Mann, dem Regisseur (und
Schauspieler) Tim Robbins in die Hand drückte. Sie hatte die Autorin
Schwester Helen Prejean bei den Dreharbeiten zu Der Klient kennengelernt
und war von deren ungewöhnlicher Persönlichkeit fasziniert. So wurde aus
dem Buch ein Film, und Mrs. Sarandon schlüpfte in die Rolle der
Ordensschwester, um ihre Geschichte zu erzählen:
Die Geschichte einer unkonventionellen Nonne, für die ein Brief von dem
zum Tode verurteilten Häftling Matthew Poncelet, der erste Kontakt mit
einem Schwerverbrecher ist. Sie antwortet und besucht ihn schließlich im
Staatsgefängnis von New Orleans, wo sie die Bedingungen des Strafvollzugs
kennenlernt. Schockiert stellt sie fest, mit welcher Leichtigkeit über das
Los von Menschen entschieden wird und versucht, Poncelets Schicksal
abzuwenden. Dabei wird sie nicht nur mit der Teilnahmslosigkeit von
Behörden und Politik konfrontiert, sondern lernt auch die andere Seite des
Rechts kennen: die Eltern von Poncelets Opfern, die auf dessen Hinrichtung
drängen. Zwischen den verschiedenen Positionen stehend und im ständigen
Selbstzweifel versucht Schwester Prejean zu geben, was ihr Glaube ihr
sagt: Menschlichkeit.
Der Film begeht nicht den Weg eines Gerichtsdramas, sondern spielt sich
zumeist in den Dialogen der Hauptpersonen ab. So müssen deren Darsteller,
Susan Sarandon und Sean Penn, auch große Teile des Films alleine tragen.
Eine Aufgabe, die sie eindrucksvoll bewältigen. Tim Robbins gelingt es den
Verurteilten menschlich zu zeichnen ohne die Brutalität seiner Taten in
den Hintergrund zu drängen. Er demaskiert das Bild des Monsters, das die
Gesellschaft für die Legitimation der Todesstrafe braucht, obwohl er sein
Publikum den Tathergang des Verbrechens miterleben läßt. Ebenso
beeindruckend beschreibt er die anklagenden Eltern, welche, eigentlich
Opfer des Verbrechers, durch das Mittel der Todesstrafe selbst zu Tätern
werden. Auch ihre Beweggründe, so widersprüchlich sie sind, werden
nachvollziehbar.
So sieht der Zuschauer alle Seiten einer Tragödie, ohne dazu gedrängt zu
sein, Position zu ergreifen. Ein Kunstgriff, der speziell dem
amerikanischen Kino nur selten gelingt. Dead man walking ist für den Oscar
in 4 Kategorien nominiert: Hauptdarstellerin (Susan Sarandon),
Hauptdarsteller (Sean Penn), Regie (Tim Robbins) und Musik (Bruce
Springsteen).
Christian Rechmann
Diese Kritik ist zuerst erschienen bei:
Dead Man Walking
USA 1995 – 122 Minuten
Regie: Tim Robbins
Kamera: Roger Deakins
Drehbuch: Helen Prejean, Tim Robbins
Besetzung: Susan Sarandon, Sean Penn, Robert Prosky, Raymond J. Barry u.a.