zur startseite
zum archiv
Deadlock
"Deadlock
ist fantastisch. Ein bizarrer, glühender Film.", meint Alexandro Jodorowsky,
der – Zufall? – im gleichen Jahr seinen mindestens ebenso fantastischen El
Topo
(Mexiko 1970) gedreht hat.
Deadlock
zehrt deutlich von den Vorgaben des Italowesterns, doch gibt er sich in einer
Zeit, in der dieser seinen Höhepunkt eigentlich schon überschritten
hatte, nicht damit zufrieden, einfach nur noch eine weitere Geschichte aus dem
19. Jahrundert im Staub der mexikanischen Sierra zu erzählen. Im Gegenteil:
Er verfrachtet eine düstere, von Camus wie von Beckett inspirierte Gangstergeschichte
mit aktuellem Zeitbezug in jene Kulisse, wie man sie aus den italienischen Western
kennt: Staub, Zerfall, Dreck, Schweiß, grobes Textil, karge Landschaft
– geografisch wie physiognomisch.
Eine
tödliche Figurenkonstellation mitten im Niemandsland, weit weg von sozialen
Verbindlichkeiten. Die bizarre Leere der Landschaft entspricht der Leere der
Figuren, ihres Handelns, ihrer Ziele. Ein Batzen Geld (dessen Geschichte wir
nicht kennen, nur natürlich: ehrlich verdient wurde es nicht), ein Wagen,
ein, zwei Gewehre bestimmen die Figuren, um diese Gegenstände kreist alles.
Ein unbedachter Schritt zuviel bedeutet den Tod. Der trottelige, irgendwie zwar
gutmütige, dennoch denkbar unsympathische Pechvogel Charles Dump (Mario
Adorf) bekommt dies bald zu spüren. Die anderen beiden: Undurchdringliche
Fassaden, wortkarg, was mag in ihnen vorgehen, wo kommen sie her? Auf was beziehen
sie sich, wenn sie kaum dechiffrierbar von "früher" erzählen?
Ein tödliches Spiel liegt in der Luft, in Gesten und Worten. Zwei Frauen
am Rande noch, beide bizarr, die eine grotesk, die andere geheimnisvoll. Der
Western hat immer auch mit Landschaft zu tun, natürlich auch mit Frauen
– beide wollen erobert werden. Die eine wurde vor langer Zeit erobert und ist
es nun nicht mehr, die andere wird erobert werden, aber zu welchem Preis? Diese
Frage wird beiden gestellt werden dürfen: Eroberter und Eroberer.
Sonne.
Harte, unnachgiebige, alles verbrennende Sonne. So beginnt der Film. Er beginnt
wie andere enden und gibt damit das Programm vor: In Deadlock ist alles schon
zum Ende gekommen: Die Personen, die Stadt draußen in der Sierra, die
Dinge, die Gesichter – selbst das Geld scheint alt und dreckig, vor allem aber:
Jenseits des ökonomischen Kreislaufs. Was soll damit gekauft werden? Wenn
der Überlebende am Ende Richtung Horizont geht, das Geld im Koffer, dann
bewegt er sich auf Ruinen zu und nicht in einen romantischen Sonnenuntergang
– hier gibt es nichts, was Geld kaufen könnte, es ist eigentlich nur buntes
Papier im Angesicht einer Apokalypse, die der stete kosmische Bezug zur Sonne
anzudeuten scheint. Wenn der Bösewicht die Stadt erreicht, ist sein Name
"Sunshine" – er trägt schwarz, einen Rollkragenpullover – Existenzialist,
Nihilist. In Deadlock
ist alles schon vorher geschehen, alles nur noch Echo. Und er riecht nach von
der Sonne ausgedörrtem Fleisch, nach altem Schweiß und jahrhundertaltem
Staub, der sich auf Zungen legt, dort jeden Nerv abtötet.
Was
Roland Klick hier geschaffen hat, ist mit Worten eigentlich kaum zu beschreiben.
Man möchte "Meisterwerk" sagen und hätte damit vermutlich
Recht. Wäre diese Floskel nur nicht so unendlich schal. Vielleicht hätte
ich es mit den Worten Jodorowskys, einem der letzten großen Kinomystiker,
auf sich beruhen lassen sollen. Das permanente, absurde Scheitern, das Deadlock
in Bilder fasst, setzt sich jenseits der Leinwand, des Bildschirms fort. In
Permanenz.
Thomas
Groh
Diese
Kritik ist zuerst erschienen im:
Ein
kleiner Zusatz des Herausgebers der filmzentrale Andreas Thomas:
Die
Filmmusik im Film „Deadlock“ stammt von der unerreichten deutschen Band „Can“,
die mit Soundtracks zu verschiedenen Filmen, aber auch mit langen, anarchisch-experimentellen
LP’s schon Anfang der Siebziger ALLES vorweggenommen haben: Elektro, Punk, Independent
im wahrsten Wortsinn und mehr. Wunderbare, geniale Musik, ohne die meine Sozialisation
zweifelsohne noch viel schlimmer geraten wäre…
Ich
danke Thomas jetzt schon dafür, dass er mir diese Ergänzung nicht
übel nehmen wird.
Deadlock
BR
Deutschland – 1970 – 94 min.
FSK:
ab
18; feiertagsfrei
Prädikat:
besonders
wertvoll
Verleih:
Cinerama
451
Video (Video)
Erstaufführung:
15.10.1970/18.3.1997
Video
Fd-Nummer:
17023
Produktionsfirma:
Roland
Klick
Regie:
Roland
Klick
Buch:
Roland
Klick
Kamera:
Robert
van Ackeren
Musik:
Can
Schnitt:
Jane
Sperr
Darsteller:
Mario
Adorf (Charles Dump)
Anthony
Dawson (Sunshine)
Marquard
Bohm (Kid)
Mascha
Elm Rabben (Jessi)
Sigurd
Fitzek (Enzo)
zur startseite
zum archiv