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Dawn of the Dead (2004)

 

Die Siedlung ist fein säuberlich gestaltet: Jedes Häuschen hat seinen festen Platz und knapp bemessenen Raum herum. Wir sehen das scharf von oben: Ein Muster der Bürgerlichkeit, alles ist sortiert. Am nächsten Morgen liegt beißender Qualm und Hysterie über dieser Häppchenwelt: Die Ordnung ist zerschlagen, die Welt auch schon verloren. Auflösung, jedoch nicht als Prozess, sondern bereits als fertiger Zustand. Ein verwirrter Blick, ein schnelles Begreifen: Es gibt ein "die" und "wir". "Die" rennen, grunzen, fressen, sind zu strategischen Überlegungen kaum fähig. "Wir" sind deren Nahrung und richten Pistolen aufeinander – das ist der Unterschied. Doch das "wir" ist nicht homogen, wie der Film beweist. Auch angesichts der Auflösung, des Weltverlusts bestehen alte Ressentiments weiter – ihrer ökonomischen Umgebung beraubt (und das inmitten des Tempels der Ökonomie – einem Einkaufszentrum!) erscheinen sie als das, was sie eh meist schon sind: Als jämmerliche Schwäche des offenbar zur Transzendenz nur bedingt befähigten Menschen.

 

Moralische Fragen verkümmern im Angesicht der Apokalypse – also paradoxerweise dort, wo sie eigentlich nötig sind, weil im Minutentakt Entscheidungen über Leben und Tod zu fällen sind, ihres eigentlichen Kontexts vollkommen beraubt – schnell zur Petitesse, die Antworten darauf zur kaum ernstzunehmenden Option. Wie mit der Moral umgehen? Verschiedene Modelle werden abgespult, durchdekliniert – keines behält die Oberhand, auch die blanke Amoralität der waffengeilen Militärs nicht. In dieser Unübersichtlichkeit liegt die Güte des Films, die Kamera – die zu Beginn noch Panoramen zeigt und zum Ende hin hektisch zwischen Details fokussiert, ohne wirklich noch etwas zu erfassen – zeichnet das nach. Das ist bedrohlich, mal ironisch und zynisch, dann wieder toternst und beißt an den Nerven: Dieser Film, dieser zähnefletschende Film will sich nicht auf eine Seite schlagen. Er nimmt sogar seine vermutete Exegese voraus: Im Vorspann ein vergrieseltes TV-Bild betender Moslems inmitten eines wahren Chaos an Medien- und Berichterstattungspartikeln, danach die zerstörte westliche Welt: Ja, ich habe auch mit 9/11 zu tun, scheint das einen Moment lang zu schreien, aber noch mit viel mehr.

 

Eine Kakophonie des Scheiterns. Kein heroischer Gestus oder "Herrenmenschentum", was man dem zugrunde liegenden Film von 1978 oft vorwarf. Allerorten Verzweiflung, Blut, Schweiß, Tränen. Kaum Identifikationsfiguren. Die schwangere Frau bringt keinen Heiland zur Welt. Der bullige Bulle ist keineswegs autoritäres Schwein. Der Redneck-Proll ist nicht nur Arschloch. Eine zarte Hoffnung vielleicht die einzige Person, deren Alltag vor der Apokalypse wir auszugsweise erleben: Die Krankenschwester. Aber auch sie oft irrational und auch nicht das Gute, das Verzeihende, als das sie zunächst dargestellt wird.

 

Und dann der Abspann. Hier sind wir plötzlich in Fulcis Dawn-Nachzügler Zombie 2. Aber auch nicht wirklich. Wir sind auch ein wenig im Blair Witch Project oder aber, natürlich, bei Cannibal Holocaust. Kein Bild der Hoffnung am Ende, nur Fratzen, Mord, Zerstörung. Keine sieben dürren Jahre, wie sie 25th Hour vorgeschlagen hat. And I heard a voice in the midst of the four beasts, and I looked and behold: a pale horse. And his name, that sat on him, was Death. And Hell followed with him.

 

Diesseits: Verzücken. Ein großartiger Film.

 

Thomas Groh

 

Diese Kritik ist zuerst erschienen im: filmtagebuch.blogger

 

Dawn of the Dead

USA 2004 – Regie: Zack Snyder – Darsteller: Sarah Polley, Ving Rhames, Jake Weber, Mekhi Phifer, Ty Burrell, Michael Kelly, Kevin Zegers, Lindy Booth, Inna Korobkina, Michael Barry, Boyd Banks – FSK: keine Jugendfreigabe – Länge: 100 min. – Start: 15.4.2004

 

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